MARTIN SCHAUB

PAS SI MÉCHANT QUE ÇA? — NÜCHTERNE GEDANKEN ZUR SCHWEIZER FILMFÖRDERUNG

CH-FENSTER

Es sind schon ganze Arten von Lebewesen ausgestorben, weil sie zu viel Panzer hatten, und zu wenig Hirn.

(Lieblingsspruch von Max Arnold)

Im Informationsheft der 11. Solothurner Filmtage stellt Stefan Portmann «Fragen zur Filmförderung» (pp. 3-8), und Claude Vallon behauptet, «Alles ist neu zu beginnen» (pp. 17-23). Dazwischen steht ein Aufsatz von Alex Bänninger, Chef der Sektion Film im eidgenössischen Amt für kulturelle Angelegenheiten. Es entspricht in etwa dem Text, den Bänninger am 12. Dezember 1975 der Plenarversammlung der Eidgenössischen Filmkommission vorgelegt hat, umreisst also die offizielle Position in der Frage. In dem Informationsheft lauft er unter dem Titel «Pas si méchant que ça».

Ist sie tatsächlich gar nicht so schlimm, die Bundesfilm-förderung und überhaupt die Filmförderung in der Schweiz? Darf man zufrieden sein mit der Kredit«erhöhung»4 auf 2,5 Mio. Franken für das Jahr 1976, die die eidgenössischen Räte in der Dezembersession beschlossen haben, und darf die einmalige Zuwendung von rund 1,3 Mio. Franken aus dem Prägegewinn des Verfassungstalers an die Cinémathèque Suisse gefeiert werden? Sind die «mageren Jahre» vorbei? Wird der Bund seinen im Filmgesetz umschriebenen Aufgaben jetzt gerecht?

Das sind rhetorische Fragen. Im Folgenden sei in kurzen Zügen dargetan, weshalb man nicht zufrieden sein kann mit den Anstrengungen des Bundes, und auch, weshalb es nicht Unbescheidenheit ist, für die Zukunft ein wirkliches Engagement des Bundes, der Kantone, der Gemeinden, aber auch der Privatwirtschaft zu fordern.

Krisenmanagement und Planung

Die Sektion Film und ihre Begutachtungsorgane haben im Jahr 1974, dem ersten Jahr der Filmförderungskrise, zwei Papiere ausgearbeitet: das sogenannte «Leitbild F»2, welches in Prozenten die Aufteilung des Kuchens (unabhängig von seiner Grösse) auf die verschiedenen Förderungsaufgaben des Bundes (Produktion/Distribution/Marketing/Archivierung) umreisst; und zweitens eine Abschätzung der Beitragsbedürfnisse in der zweiten Hälfte der 70er Jahre.

Leider wird von dieser mittelfristigen Planung kaum mehr gesprochen. Von den abschätzbaren Bedürfnissen ist nicht mehr die Rede, hingegen von der Optimierung der Beitragsleistungen aus einem offensichtlich zu kleinen Kredit. Die Sektion Film hat einen falschen Ehrgeiz: Sie will Ende Jahres jeweils nachweisen, dass «sie» mit geringen Investitionen einen möglichst grossen «Gegenwert» erzielt hat. Sie richtet sich — allzu bescheiden — im unkomfortablen, ungeheizten Keller schweizerischer Kulturförderung ein.

Es ist müssig, auf die Vorgeschichte der beiden oben genannten Dokumente einzugehen. Sie entsprechen einerseits dem Wunsch nach systematischer, bewusster Förderung und andererseits den Anforderungen eines armen Staates, der sich plötzlich seiner Armut bewusstwird und alle seine Ausgaben kurz- und langfristig zu planen beginnt. Festgehalten werden muss bloss, dass die beiden Dokumente nicht gegeneinander ausgespielt werden können. Das «Leitbild F» ist nicht konzipiert als Milchmädchenrechnung für die Jahre der Krise; es soll auch gelten, wenn endlich die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen werden.

Zu behaupten, wie es Alex Bänninger tut, dass die zwei Millionen Franken des Bundes im Jahr 1975 für «Kulturförderung, nicht für Krisenmanagement» ausgegeben worden seien, ist missverständlich. Der Chef der Sektion Film erinnert sich zweifellos der verzweifelten Diskussionen innerhalb des Begutachtungsausschusses der Filmkommission. Dieser Ausschuss stellte sich im Frühsommer 1974 die Frage, ob er in den Ausstand treten oder die Krise managen soll. Es war lange nicht sicher, dass der Ausschuss im Herbst 1974 überhaupt zu seiner Arbeit antreten würde. Die Mitglieder dieses Ausschusses wussten, dass sie Projekte zu begutachten hatten, deren Unterstützung durch den Bund aus anderen als qualitativen Gründen gar nicht in Frage kam.

Die Begutachtungsorgane haben sich dann entschlossen, aus der Situation doch noch «das Beste zu machen». Sie haben in der Krise die Politik der Sektion Film unterstützt, die leider einen nicht übersehbaren Zug zur Eliteförderung aufweist. Sie haben mitgeholfen, das wenige Geld so zu plazieren, dass das kulturelle Rendement möglichst gross zu werden versprach. Sie haben auf Experimente fast ganz verzichtet. (Immerhin muss einmal festgehalten werden, dass auch ein Beitrag an einen neuen Film von Tanner, Gloor, Koerfer, Dindo usf. immer auch seinen experimentellen Charakter hat. Niemand garantiert für einen festen «Gegenwert» der Subvention. Bis jetzt sind noch keine grösseren Pannen aufgetreten. Eigentlich wären sie wünschbar. Sie würden endlich wieder klarmachen, dass man nicht gute Filme «kauft» wie einen guten Whisky.) Aber die Mitglieder der Begutachtungsgremien haben nicht vergessen, dass sie bei der Abschätzung der tatsächlichen Bedürfnisse mitgearbeitet haben, und sie haben die Zahlen der mittelfristigen Planung noch im Kopf.

Eine schöne Weile lang diskutierte der Begutachtungs-ausschuss der Filmkommission, ob er nicht als solcher an die Öffentlichkeit treten solle, um die Aufmerksamkeit endlich wieder auf die wesentlichen Probleme der Filmförderung zu lenken (und abzulenken von den letztlich sinnlosen Rechnereien im Rahmen eines völlig ungenügenden Budgets). Hätte er es getan, wären die Aufsätze von Stefan Portmann und Claude Vallon in der erwähnten Informationsschrift der Solothurner Filmtage anders ausgefallen.

Stefan Portmann sucht die Sündenböcke am falschen Ort, wenn er der Sektion Film und den Begutachtungsgremien vorwirft, den Autorenfilm auf Kosten des «emanzipatorischen Films» zu bevorzugen. Die Sündenböcke halten sich in höheren (oder tieferen) Regionen auf. Wenn der Chef des EDI Ende 1974 schon bei seinen Kollegen nicht durchdringt mit einem wenigsten angepassten Filmförderungsbudget, wenn er selbst beim Voranschlag für 1976 Interventionen der Geschäftsprüfungskommission befürchten muss, dann wird doch klar, wer für die Krise eigentlich verantwortlich ist. Jedenfalls nicht die, die noch versuchen, «das Beste» aus dem Wenigen zu machen. Verantwortlich sind jene, die eine aktive Kulturpolitik der Schweiz unnötig (oder gefährlich) finden.

Die mittelfristigen Bedürfnisse

Weil die Resultate der 1974 durchgeführten Erhebungen über die Bedürfnisse einer Filmförderung, die auch der durch sie ausgelösten Entwicklungen Rechnung trägt, nie publiziert worden sind, weil sie in den nicht sehr sinnvollen Auseinandersetzungen um die richtige oder falsche Aufteilung eines kleinen Sparprogramm-Kuchens untergegangen sind, seien sie hier — gerafft — veröffentlicht.

Der Begutachtungsausschuss der Eidgenössischen Filmkommission hat die Bedürfnisse für die Jahre 1974 bis 1979 zu schätzen versucht; die Zahlen für 1980 sind zudem nach Angaben der an der Bundesfilmförderung direkt interessierten Verbände und Organisationen errechnet worden. Der Übersichtlichkeit halber beschränke ich mich auf drei Stichjahre: 1976 (wobei ich einen Vergleich zwischen Bedürfnis und der ungenügenden Bedürfnisbefriedigung durchzuführen versuche), 1979 und 1980.

Ich rechne mit einer Manövriermasse von 200 000 Franken und mit der Tendenz, die Herstellungsbeiträge zugunsten der Filmprämien leicht zu heben. Alles das sind Annahmen; weit davon kann die Wirklichkeit allerdings nicht sein. Zu Tabelle II) ist ferner zu bemerken, dass unter «Filmkultur» dieses Jahr die Cinémathèque weniger ins Gewicht fallen wird als gewöhnlich, profitiert sie doch von der einmaligen Zuwendung aus dem Prägegewinn des Verfassungstalers. Dennoch scheint mir die «Filmkultur» am meisten bezahlen zu müssen an die Differenz zwischen realistischem Wunsch und krisenhafter Wirklichkeit.

Gemessen an den 2,5 Mio., die die Räte als Filmförderungskredit pro 1976 bewilligt haben, erscheint die dreifache Summe für das Jahr 1979 vielen wohl unrealistisch. Sie wird realistischer, wenn man sie auf den Kopf der Bevölkerung aufteilt. Pro Einwohner müsste die Schweiz rund Fr. 1.50 auslegen (soviel also, wie es Belgien wirklich tut3), um eine eigene, lebensfähige Filmkultur und Filmproduktion zu ermöglichen. Nur für Kleinmütige sind diese Zahlen unrealisierbare Wunschträume. Doch die Kleinmütigen haben offenbar im Moment das Sagen.

Die zuletzt genannten Zahlen scheinen mir die am wenigsten ausgewiesenen zu sein. Immerhin zeigen sie zwei deutliche Tendenzen:

1) Die Produktionshilfe soll vor allem mit Herstellungsbeiträgen geleistet werden. Die veranschlagten 7 Mio. Franken müssten 10 langen, 20 bis 30 mittellangen und kurzen sowie 10-15 Debütantenfilmen auf die Beine helfen, wobei der Bund bei diesen mehr als 50 Prozent tragen sollte. Die Filmprämien dagegen sollen an Bedeutung verlieren, weil einerseits ihre Zusprechung erwiesenermassen von vielen subjektiven, ja gar stimmungsmässigen Faktoren abhängig ist und weil sie ihre Funktion als Produktionszuschüsse für kommende Filme verlören.

2) Die Ansprüche der kulturellen Organisationen dürfen nicht erstaunen. Sie sind der Ausdruck eines Missbehagens, ja einer Existenzangst in einer Periode, da die Bundesmittel knapper als knapp sind und in die Produktion gehen müssen.

3) Der verhältnismässig kleine Betrag, der für den Vertrieb veranschlagt wird, artikuliert die Überzeugung, dass, wenn erst einmal die Produktion wirklich kontinuierlich und breit ist, eine Vertriebsförderung langsam hinfällig wird. Wenn einmal der einzelne Film kein Ausnahme-Ereignis sein wird, ist der Schweizer Film im In- und Ausland eine Realität.

Es Hessen sich noch einige Trends aus den oben zusammengestellten Zahlen herauslesen. Ich möchte diese Arbeit dem Leser überlassen und mich im Folgenden auf die Differenz zwischen Entwurf und Wirklichkeit konzentrieren. Allerdings nicht ohne noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Finanzplanung des Begutachtungsausschusses der Filmkommission Schätzungen und Einschätzungen sind, die mobil zu handhaben wären.

Kann und will der Bund überhaupt?

Die für das Jahr bewilligten 2,5 Millionen Franken stehen für mich allerdings ausserhalb des Spielraums des Ausdrucks «Mobilität». Sie sind der Ausdruck einer — hoffentlich nur vorübergehenden — Impotenz.

Ich fasse das bisher gesagte (polemisch) zusammen: Die Kritiker der eidgenössischen Filmförderung werweissen, ob der kleine Kuchen richtig verteilt worden sei in den letzten Jahren, und stellen fest, es sei zu viel in «sichere Operationen» investiert worden. Diese Kritiker vergessen in ihrer Detailinterpretation (und -Überinterpretation) oft das Hauptproblem der Filmförderung: dass nämlich Regierung und Parlament kein richtiges Einsehen haben. Der Chef der Sektion Film andererseits weist mit Genugtuung darauf hin, dass mit dem wenigen zur Verfügung stehenden Geld ein fast optimaler «kultureller Gegenwert» erzielt worden ist. Seine Ausführungen vor der Filmkommission, gegenüber der schweizerischen Öffentlichkeit (lies Schweizerische Depeschenagentur) und den interessierten Beobachtern der Schweizer Filmszene (im Informationsheft der 11. Solothurner Filmtage) weisen die vernünftige Investition der zu spärlichen Mittel nach, verteidigen jedoch die erwiesenen Bedürfnisse des Schweizer Films zu wenig gegen jene, die diesen Staat machen: wir alle und unsere Abgeordneten. Alex Bänninger tut sogar ein bisschen zu viel für die Verteidigung eines unbefriedigenden Status quo: Er zieht in Zweifel, ob denn überhaupt genügend Talent vorhanden sei in der Schweiz, das eine Förderung verdiene. («Es ist auch zu bedenken: wo Begabung fehlt, wo Phantasie und die Kraft für Innovationen fehlen, leisten Subventionen keinen Ersatz.»)

Es will mir scheinen, als ob die Sektion Film die Filmförderung noch immer zu ausschliesslich als staatliches Mäzenatentum verstehe (Talente fördern). Doch darum geht es ja wirklich nicht. Vielmehr geht es darum, mit staatlicher Hilfe ein ausgewogenes Filmangebot zu schaffen, ein System, in dem der Schwache eine Stimme hat. Ich habe es schon sehr oft geschrieben: Es geht bei der schweizerischen Filmförderung (gleich wie bei der schwedischen, belgischen, dänischen, australischen, ja sogar bei der französischen und deutschen) um eine Dekolonisationsaufgabe. Es geht nicht um Dekorationen des Staates und seiner künstlerischen Genies; es geht um Grundlegenderes, um die eigene Stimme im eigenen Land.

Vielleicht ist es wirklich an den Mitgliedern der eidgenössischen Filmkommission, jetzt zu sagen, dass sie mit dem Einsatz des Staates unzufrieden sind. Zwar haben sie sich in den vergangenen zwei Jahren Mühe gegeben, mitzuhelfen, um mit den wenigen Mitteln wenigstens noch etwas Vernünftiges zu machen. Aber sie haben sich nie mit diesem Staat identifiziert, der in dieser Domäne mutlos, leisetreterisch und letztlich eben sträflich unbesorgt ist. Der Begutachtungsausschuss der Filmkommission ist nicht unzufrieden, weil seine Anträge vom Bund missachtet würden oder weil er in den einzelnen Entscheiden desavouiert würde, sondern weil er in den grossen Linien desavouiert wird. Ich habe den bestimmten Eindruck, dass die Perspektiven des Ausschusses mindestens verdrängt, wenn nicht vergessen werden. Ich weiss nicht, ob ich für alle spreche, die die oben umrissenen Perspektiven ausgearbeitet haben; mindestens aber für einen Teil davon: Sie sind nicht bereit, sich im Elend einzurichten. Wenn sie ihre Arbeit (Begutachtung eingereichter Projekte und Filme) gewissenhaft machen, heisst das noch lange nicht, dass sie mit der Filmpolitik des Bundes einiggehen.

Der Bund hat Geister gerufen, und er wird sie nicht mehr los. Er hat seit 1963 nicht nur ein paar Talente gefördert. Er hat eine Entwicklung in Gang gebracht. Der Schweizer Film hat zu leben begonnen; er hat eine Infrastruktur geschaffen. Und er will leben, will wachsen, will sich dem Überangebot von importierten Bildern, Ideen und Vorstellungen stellen. Eine Provinz, ein Entwicklungsland in der alten Welt hat zu reden begonnen und will weiterreden.

Ist der Bund willens und fähig, die Entwicklung zu halten und zu fördern, die er in die Wege geleitet hat? Manchmal bedaure ich, dass der Bund die Filmförderung allein an die Hand genommen hat. Denn: Die Filmförderung zur Bundessache erklären hiess eben auch, die Kantone, die Städte und die Privaten von dieser Aufgabe befreien. Es kommt immer wieder vor, dass die anderen Kräfte im schweizerischen föderalistischen System zurücktreten und auf den Bund verweisen, der in Sachen Film zuständig sei. Das Filmgesetz wird als Generalabsolution für die Kantone, die Städte, die Privaten (vor allem auch für das Kinogewerbe) gelesen. (Nur gerade die Migros, der zweitgrösste Filmförderer in der Schweiz, macht da eine Ausnahme.)

Der Bund muss sich der Verantwortung, die er übernommen hat, bewusstwerden. Sie kann nicht mit ein paar schön klingenden Sätzen bewältigt werden. Wenn der Bund wirklich will, dass Schweizer Filme entstehen und dass sie im seelischgeistigen Haushalt des Landes ins Gewicht fallen, muss er sich die Filmförderung so ernsthaft überlegen wie die Beschaffung von Kampfflugzeugen.

Ich glaube vorläufig nicht daran, dass er das so bald tun wird. Die Differenz zwischen Bedürfnissen und tatsächlich zu Verfügung stehenden Mitteln wird bald grösser als 2 Mio. Franken sein, weil der Bund nicht einsehen will, dass er einen Prozess eingeleitet hat, der erst am Anfang steht. Oder: Weil er diesen Prozess nicht eigentlich begrüsst. Ich glaube auch nicht, dass der Clottu-Bericht den Bund dazu bewegen wird, seine besonderen Verpflichtungen gegenüber dem Film wahrzunehmen. «Besonders» sind diese Verpflichtungen (verglichen mit seinem Engagement in Literatur, Theater, Musik, Oper, bildender Kunst), weil es ein eidgenössisches Filmgesetz gibt (aber kein eidgenössisches Theater- oder Musikgesetz). Der Bund muss jetzt merken, was es heisst, Filmförderung zu seiner Sache gemacht zu haben.

Was tun?

Es scheinen mir Resignationserscheinungen zu sein, wenn auf der einen Seite Kritiker der Bundesfilmförderung vorrechnen, dass das Trinkgeld, das der Bund für den Film übrighat, falsch aufgeteilt wird, und andererseits die Sektion Film im eidgenössischen Amt für kulturelle Angelegenheiten ihre ganze Energie in die Optimierung des Gegenwerts steckt.

Es geht — wie schon vor zehn Jahren — heute noch immer darum, alle Beteiligten an einem Kommunikations-prozess zu ermuntern, die Engagements zu verstärken. Eine politisch bewusste Kritik beispielsweise hätte dem einheimischen Publikum klar zu machen, dass es sich mit einer starken einheimischen Filmproduktion emanzipieren könnte. Den Kantonen und Städten wäre vermehrt und besser auseinanderzusetzen, dass sie beitragen müssen an einen glücklich begonnenen Prozess der Bewusstwerdung, der Identitätssuche, der Gegenwartsbewältigung. Schliesslich müssen Private davon überzeugt werden (nicht überredet), dass die Schweiz im Krieg der Kommunikationsmittel und des Kommunikationsimperialismus kämpfen muss und nur etwas zu gewinnen hat, weil sie so viel verloren hat.

Im Dezember 1975 ist die Stiftung Schweizerisches Filmzentrum gegründet worden. Das Filmzentrum übernimmt vorläufig Promotions- und Distributionsaufgaben. Darin ist es zu unterstützen. Aber das Fernziel ist nicht zu vergessen: Das Filmzentrum soll zur zweiten Filmförderungsanstalt in der Schweiz werden. Die Vorstellung ist so überzeugend: Im Filmzentrum konzentrieren sich alle anderen Kräfte, die neben dem Bund sich im Schweizer Film engagieren wollen. Gerade wenn man befürchten muss, dass es der Bund allein nicht mehr schafft, einen eingeleiteten Prozess auch weiterhin zu nähren, gewinnt die Idee des Filmzentrums wieder an Bedeutung.

P. S.

Unsere Leser wissen, dass CINEMA eine Bundessubvention bezieht, die rund 50 Prozent der Druck- und Versandkosten deckt. Dieser Aufsatz, der möglichst illusionslos auf die Förderungstätigkeit und den Förderungswillen des Bundes blickt, ist keine Verzichterklärung auf Förderung. Im Gegenteil: Wir verstehen uns als Teil des 1963 begonnenen Prozesses, der eine Zukunft haben muss.

Ein Vergleich der 1,5 Mio. Franken Förderungskredit des Jahres 1970 mit den 2,0 Mio. im Jahre 1975 würde ergeben, dass nicht einmal die Anpassung an die in dieser Branche besonders grosse Teuerung gelungen ist.

Gestützt auf die zehnjährige Förderungspraxis und konkrete Zielsetzungen für die künftige Förderung sollen die zur Verfügung stehenden Förderungsmittel, wie folgt aufgeteilt werden: Produktion 70 % / Distribution 10 % / Marketing 10 % / Filmarchiv 10 % (mindestens jedoch 200 000.—). Innerhalb der einzelnen Sparten sind Prioritäten gesetzt worden; z. B.: Produktion (Herstellungsbeiträge 70 - 75 % / Filmprämien 20 - 25 % / Drehbuchbeiträge 5 %) Marketing (1. Öffnung der Märkte im Ausland, 2. Propagierung der Schweizer Filme im Inland, 3. Filmpublikationen, 4. Internationale Filmfestivals im Inland usf.).

Vergleiche CINEMA 4/74.

PAS SI MECHANT QUE ÇA?

Dans la brochure d’information des 11es journées cinématographiques de Soieure, Stefan Portmann critique la façon dont la Confédération a dépensé ses crédits pour l’encouragement du cinéma et Claude Vallon déclare que tout serait à recommencer. Entre ces deux exposés se trouve un article d’Alex Bänninger, chef de la section cinéma à Berne, intitulé Pas si méchant que ça. Bänninger affirme que, même avec peu de moyens, la Confédération a pu obtenir un rendement culturel considérable. Il défend la politique de la Confédération et va même jusqu’à mettre en question la puissance créatrice des actuels et futurs cinéastes suisses.

Martin Schaub commente les deux attitudes. Il estime qu’une critique non dynamique (Portmann) est un signe de résignation; et il se demande si la Confédération est capable et veut réellement alimenter le processus dynamique qu’elle avait initié avec la loi sur le cinéma de l’an 1963. Il explique le travail du comité d’examen de la commission fédérale du cinéma: En effet, en 1974, ce comité a collaboré à la rédaction de deux papiers: a) le «Leitbild F» (idée conductrice pour la répartition des moyens à disposition), et b) une étude des besoins à long terme. Aujourd’hui, malheureusement, on ne parle que des problèmes du jour et on oublie les perspectives et les buts. Le comité d’examen, lui, n’a pas oublié son concept à long terme; il se souvient d’avoir calculé un budget de 4,5 Mio. de francs pour 1976 et de 7,5 Mio. pour l’an 1979. Il se souvient également des discussions dans lesquelles il était question soit d’entrer en grève, soit d’aider à gérer la crise. Il a choisi la deuxième solution; il a renoncé à une manifestation publique mais il n’a pas révoqué ses perspectives.

Schaub essaie de restituer les vraies dimensions du problème, les dimensions d’ordre politico-culturel. La Suisse, et non seulement la Confédération, veut-elle établir un certain équilibre dans la communication cinématographique nationale, et veut-elle le payer? En 1963,la Confédération a pris en charge l’aide au cinéma suisse. Puisqu’elle ne veut (en disant qu’elle ne peut) pas en porter les conséquences, c’est également aux cantons, aux communes et aux privés de s’engager dans cette tâche culturelle. L’organisme d’une aide fédérative au cinéma existe depuis décembre 1975: La fondation du Centre suisse du cinéma. Il faut enfin savoir que l’aide au cinéma suisse n’est pas un mécénat bénévole, mais une urgente mesure de décolonisation culturelle, c’est-à-dire un besoin politique, (msch.)

Martin Schaub
Keine Kurzbio vorhanden.
(Stand: 2020)
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