Warum ist hier ein Maler eingeladen, sich über Pasolini zu äussern? Ganz einfach deshalb, weil das Werk Pasolinis für diesen Maler schon seit Jahren eine Herausforderung war. Mario Comensoli ist 1922 im Tessin geboren und lebt seit 1945 in Zürich; jedoch ohne jemals den Kontakt zur italienischen Kultur verloren zu haben. Zudem hat sich Comensoli genauso wie Pasolini während seiner Arbeit als politischer Mensch betrachtet. Anders als Pasolini ist Comensoli kein Intellektueller. Die Spannung zwischen seiner künstlerischen Betätigung und der politischen Praxis entstand eher spontan als geplant. «Das Kino ist immer politisch», sagt Pasolini und fährt fort: «Aber wenn der Cineast direkte Politik machen will, soll er verzichten, Filme zu drehen. Oder dann soll er klar zugeben, dass er auf seine Strenge verzichtet, um einen Kompromiss einzugehen, den nur der Eifer rechtfertigt.» — Comensoli meint ähnliches mit den folgenden Worten: «... ich kann mich als Mensch und Bürger einer direkten Verantwortung in der politischen Aktion aussetzen, aber diese Teilnahme übersetzt sich nicht auch in einen künstlerischen Ausdruck, in eine künstlerische Entscheidung oder Erklärung.» Comensoli, — übrigens im gleichen Jahr geboren wie der von ihm verehrte Pasolini, — malt auf der traditionellen Leinwand. Er malt in packender Direktheit Gesichter und Attribute der Massenkultur, ohne dabei in Berührung zu kommen mit dem Ästhetizismus der Pop-Kultur. Auch da ist er Pasolini verwandt, der sich den Vorwurf gefallen lassen musste, eine konventionelle Sprache zu sprechen, wenn er historische Stoffe aufgriff und Bilder aus der Kunstgeschichte zitierte. Revolutionär und fortschrittlich ist man nicht, indem man sich modischer Formen bedient. «Der Konformismus der Schulen und Richtungen, und trage er auch den neuesten Stempel, setzt die künstlerische Sprache nicht durch sich selbst in eine revolutionäre Sprache um», sagt Comensoli. (W. J.)
La pittura o la letteratura? Ontologie. Un pittore o um letterato non ha origine, in quanto tale. Lo si ritrova nella vita giä pittore e letterato, per aprioristica destinazione, felicitä, fortuna. I suoi dubbi sono tecnici: quelli teorici sono pura-mente mimetici.
(P. P. Pasolini, «Scritti corsari» — Garzanti — p. 214)
Es mag überraschen, aber P. P. Pasolini ist als Künstler nicht leicht einzuordnen.
Ich beziehe mich hier auf die Tendenz, Künstler generell nach ihrer politischen Überzeugung, zu der sie als Bürger stehen, entweder rechts oder links einzustufen.
Dabei scheint vergessen, was eigentlich auf der Hand liegt: dass die künstlerischen Einstufungen nicht notwendigerweise mit der parteipolitischen Wahl, mit politischen Verpflichtungen und Erklärungen übereinzustimmen brauchen.
Ein Künstler, der den Marxismus durch und durch kennt, hat damit noch keinen Passepartout zur Kunst. Seine Botschaft oder Bedeutung kann in ästhetischer Hinsicht «ambigua», konservativ oder reaktionär sein.
Der Konformismus der Schulen und Richtungen, und trage er auch den neuesten Stempel, setzt die künstlerischen Sprache nicht durch sich selbst in eine revolutionäre Sprache um.
Pasolini, mit dessen persönlichem Charisma und wirksamen Provokationen sich zu viele Phantasmen verbinden, hatte wiederholt das künstlerische Produkt von den Absichten und dem Verhalten des Künstlers getrennt.
Um es in den mir geläufigen Begriffen zu sagen: es gibt keine künstlerische Verbindung von politischem Faktum, politischer Analyse und politischer Sprache.
Ich kann politisch durch die Entscheidung für eine Partei mitbeteiligt sein, ich kann mich als Mensch und Bürger einer direkten Verantwortung in der politischen Aktion aussetzen, aber diese Teilnahme übersetzt sich nicht auch in einen künstlerischen Ausdruck, in eine künstlerische Entscheidung oder Erklärung.
Die Sprache und ihre Struktur haben ihren Ursprung nicht in Manifesten, Absichten, in Gruppen oder Kollektiven, die höchstens den Überbau betreffen.
Das heisst natürlich keineswegs, dass der Künstler nicht militant sein soll, sondern nur, dass der Militante nicht notwendigerweise Künstler ist. Als gedanklicher Anreger hat Pasolini niemals das politische mit dem künstlerischen Moment vermischt. Kunst und Sprache haben auch politische Bedeutungen, aber die Politik hat keine künstlerische Bedeutung. Die Analyse seiner Werke kann beispielhaft der Klärung dieser Probleme dienen, und Pasolini ist sich dessen vollkommen bewusst gewesen.