ALEXANDRA SCHNEIDER

THE FLASHER FROM GRINDELWALD (MARTIN GUG­GISBERG)

SELECTION CINEMA

Ein nur mit Ledermantel und Skibrille beklei­deter «Bliitteler» rennt durch den Schnee und geniesst die Bergwelt, indem er einer Melkerin, einer Kuh und den Bergen sein bestes Stück zeigt. Was plakativ und plump ausfallen könnte, entpuppt sich als äusserst charmante und hu­morvolle Kurzfilmperle.

Martin Guggisberg greift auf die Slap­stick-Ästhetik des frühen Kinos zurück, indem er mittels Fastmotion Ruckelbewegungen er­zeugt und diese mit einer entsprechenden Ton­spur kombiniert. Er spielt jedoch nicht nur äs­thetisch auf diese frühe Filmform an, die ihren Reiz unter anderem aus rasanten, unvorherseh­baren und übermässigen Bewegungsabläufen bezieht: The Flasher from Grindelwald thema­tisiert über den Bewegungsbann hinaus auch die mit dem frühen Kino verbundene Faszina­tion des Sehens und Gesehenwerdens respek­tive des Sich-Zeigens. So ist es denn auch nur folgerichtig, dass in Guggisbergs Film die zu­nächst vom Flitzer bedrängte Melkerin am Schluss selbst aus den Kleidern und in das Ex- hibitionisten-Outfit steigt, um nun ihrerseits die Bergwelt unsicher zu machen. Am amüsan­testen sind diejenigen Momente, in denen sich die Präsentierlust an das menschenleere Berg­panorama richtet: Nicht mehr die Berge zeigen sich dem Touristen, sondern der Tourist zeigt sich Eiger, Mönch und Jungfrau!

Der Film ist übrigens ein idealer Pro­grammpunkt für jede Tourismus- oder Berg­filmveranstaltung.

Alexandra Schneider
geb. 1968, studiert Soziologie und Filmwissenschaft an der Universität Zürich und ist Mitherausgeberin eines Lexikons über Film- und Videoschaffen von Schweizer Frauen, das 1994 erscheinen wird.
(Stand: 2019)
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