VALÉRIE PÉRILLARD

REISE OHNE RÜCKKEHR (ESEN ISIK)

SELECTION CINEMA

Wie in ihrem Kurzfilm Bahami Hirsizlar Caldi (Vaterdiebe, 1999) erzählt Esen Isik in Reise ohne Rückkehr eine einfache Geschichte: Die dreissigjährige Türkin Emine ist aus politischen Gründen in die Schweiz geflüchtet, wo sie in einem Durchgangszentrum auf den Entscheid über ihr Asylgesuch wartet. Während ihres Aufenthalts in der lebhaften multikulturellcn Atmosphäre der Durchgangsstelle wird sie in der Nacht regelmässig von Albträumen heim­gesucht: Erinnerungen an Verfolgung und Fol­ter. Sie denkt oft an eine geliebte, in der Heimat zurückgebliebene Freundin, der sie immer wie­der Briefe schreibt, die im Off vorgelesen wer­den. Und da sind noch die Heimbetreuerlnnen, die zwar einen eher bürokratischen Umgang mit den Asylbewerberinnen pflegen, ihnen jedoch grundsätzlich gut gesinnt sind. Emine verliebt sich in einen der Betreuer, Peter, und die beiden beginnen zaghaft eine Liebesge­schichte. Ihre Beziehung kompliziert sich, als Emine einen illegalen Flüchtling in ihrem Zim­mer versteckt. Als dieser entdeckt wird, wird sie aus dem Heim gewiesen. In der versöhn­lichen Schlussszene finden Emine und Peter wieder zueinander.

Die Schauspielerin Sevine Yildiz stellt Emine überzeugend und einfühlsam dar. Ihr Charakter ist dicht gezeichnet und steht damit in Kontrast zu demjenigen Peters (Stefan Koll- muss), der erstaunlich kontur- und fleischlos bleibt und das Klischee des «lieben» Schweizer Betreuers erfüllt. Allgemein wirken die Aus­länderinnen viel überzeugender als die Schwei­zerinnen. Nebst der gut erzählten Haupt­geschichte wirken die Nebenstorys allerdings so verkürzt, dass sie blutleer bleiben. So möchte man beispielsweise mehr über die Beziehung Emincs zur politischen Arbeit und zu einem ehemaligen Parteigenossen erfahren, der sie den ganzen Film hindurch zu überreden ver­sucht, wieder für die Partei zu arbeiten. Die berührenden Momente sind nicht der Kamera zu verdanken, die ausser in den farblich ver­fremdeten, mit Handkamera gedrehten Erinne­rungsszenen nicht überzeugt - sondern viel­mehr dem eindringlichen Spiel von Yildiz und den Off-Brieftexten, die die Empfindungen einer Flüchtlingsfrau nachvollziehbar machen. Wie in Bahami Hirsizlar Caldi, in dem Isik das Innenleben eines türkischen Jungen glaubhaft beschrieb, gelingt es ihr in Reise ohne Rück­kehr, das Gefühlsleben einer Asylbewerberin eindringlich umzusetzen.

Valérie Périllard
ist Volkskundlerin und Regieassistentin in Zürich.
(Stand: 2019)
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