SONJA WENGER

TANDOORI LOVE (OLIVER PAULUS)

SELECTION CINEMA

Bollywood in Oey-Diemtigen – wenn zwei Kul­turen aufeinander treffen, bietet dies stets eine ideale Plattform für berührende und absurde Momente, das hat Regisseur Oliver Paulus bereits 2003 mit Wenn der Richtige kommt bewiesen. In seinem neuen Film Tandoori Love bedient er sich nun ungeniert aus dem schweizerischen und aus dem indischen Klischee-Kästchen – allerdings stets mit einem Augenzwinkern.

Es wurde auch höchste Zeit für einen filmischen Austausch dieser Art: Bereits seit Jahrzehnten tanzen und singen indische Filmstars vor der malerischen Kulisse der Schweizer Alpen, um den für ihr Kino so typischen Musical-Einlagen einen exotischen Touch zu verleihen. Zeitweise lebte eine ganze Logistikindustrie in der Schweiz von den indischen Filmcrews. Doch einen Bollywoodfilm made in Switzerland gab es bisher nicht.

Jeder, der sich schon mal auf einen Bollywoodfilm eingelassen hat, wird auch in Tan­- doori Love die üblichen Ingredienzien wieder­erkennen: Liebe auf den ersten Blick, gefolgt von Drama mit viel Herz, Schmerz und Miss­verständnissen, natürlich Gesangs- und Tanz­einlagen, ein paar Actionszenen sowie das obli­gate Happy-End. In Tandoori Love bildet einfach die Schweiz die Ausgangslage und Indien bietet die tolle Kulisse, zumindest am Schluss. Paulus erzählt von der Begegnung zwischen Rajah und Sonja, welche die träge Beschaulichkeit eines Berner Dorfs durcheinanderbringt. Rajah kocht für eine chaotische indische Filmcrew aus egozentrischen Stars, einem konfusen Regisseur und einem mafiösen Produzenten. Ausgerechnet im Supermarkt begegnet er Sonja, fällt sogleich vor ihr auf die Knie und besingt die grosse Liebe. Doch deswegen schmilzt das Herz der eher kühlen Sonja noch lange nicht. Rajah muss also stärkeres Geschütz auffahren. Mit einem Tisch voller sinnlicher Gerichte will er Sonja erobern – und wird stattdessen von ihrem Verlobten Markus als neuer Küchenchef im verstaubten Gasthof Hirschen engagiert.

Paulus, nach eigenen Angaben «pas­sionier­ter Koch und Bollywood-Ken­ner», hat das erste Drittel der Geschichte mit einer erfrischenden Leichtigkeit, schnellen Szenen und üppigen Bildern inszeniert. Doch kaum sind die Charaktere eingeführt, verharrt der Film in Sonjas Unentschlossenheit und lässt nur noch wenig Dynamik zu. Dennoch ist Tandoori Love ein sympathischer und unterhaltsamer Film, der eigentlich nur an einer Sache wirklich krankt: der schlecht gemachten Synchronisation der Dialekt sprechenden Hauptrolle Sonja. In dem sonst solide gemachten Film ist dies ein veritabler Wermutstropfen – über den echte Bollywood-Fans allerdings leicht hinwegsehen werden.

Sonja Wenger
*1970, ist Auslandredaktorin bei der Wochenzeitung WOZ und schreibt für das Kulturmagazin Ensuite sowie für das Bieler Tagblatt. Sie ist Gründerin der Zürcher Theatergruppe The Take Five Theatre Company und arbeitet freiberuflich als Übersetzerin, Wissenschaftsredaktorin und Malerin.
(Stand: 2011)
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