PIERRE LACHAT

DIE LIEBE EINES INGENIEURS — LE MILIEU DU MONDE VON ALAIN TANNER

CH-FENSTER

Nachzuholen, was die Kritik verpasst hat, nämlich von den Schwächen von Alain Tanners drittem Spielfilm Le retour d’Afrique zu sprechen, ist jetzt, wo uns sein vierter, Le Milieu du Monde, erreicht hat, leichter, aber im Grunde überflüssig geworden. Denn Tanner übt objektive, also nicht bewusst gezielte Selbstkritik: Le Milieu du Monde bringt gegenüber Le retour d’Afrique eine instinktiv-schöpferische Korrektur an, wie Le retour d’Afrique, auf La Salamandre bezogen, eine absichtsvoll-unschöpferische Verschlimmbesserung war. So gern er sich mitunter zerebral gibt, hat Tanner doch nicht seine sämtlichen Antriebe dem Intellekt unterstellt.

An die Stelle der Pappkameraden von Le retour d’Afrique treten wieder, abgewandelt, Tanners primäre Bilder vom Menschen, reale Anschauungen statt spekulativer Postulate. Wieder nach hinten verwiesen wird, in einem Film, der klarer denn je Mann und Frau zu Protagonisten bat, jene unerwünschte Dritte im Bund, die im Retour d’Afrique zu nahe an den innern Kreis des Geschehens geraten war: die Kamera. Dieses Zurückweichen des Apparats geht Hand in Hand mit dem Umstand, dass Le Milieu du Monde Tanners erstes Kinostück in Farbe ist, wenn auch die «Couleurs noires et Manches» der Salamandre den bunten Tönen noch stark beigemischt sind. Tanner springt ja wohl nicht über seinen Schatten: Von ihm darf kein naives Herzeigen des Materials, kein Illusionsstück in Technicolor erwartet werden. Die Kamera und das Gezeigte werden behutsam, ohne Überstürzung wieder in ihre richtige Beziehung zueinander gebracht. Le Milieu du Monde ist eine Korrektur des Retour d’Afrique, nicht dessen Verleugnung. Fussnote: Dass es kein farbiger Film, sondern eben ein Film in Farbe geworden ist, dazu hat der Kameramann Renato Berta Entscheidendes beigetragen.

Der Ingenieur Paul leitet sich vom Industriellen Charles Dé aus Charles mort ou vif her, und die Serviertochter Adriana hat die proletarische Feuerfestigkeit des Salamanders Rosemonde. Le Milieu du Monde mathematisch zu umschreiben, wäre eine grosse Versuchung: Als das Produkt von Tanners erstem und zweitem Film könnte man ihn betrachten und als doppelt so kompliziert wie Charles mort ou vif und Salamandre. Mann und Frau, Bürger und Proletin werden da auf gleicher Ebene direkt konfrontiert; keines der beiden Geschlechter ist das blosse Accessoire des andern, die Plattform, von der sich das andere abstösst.

Ganz geht diese wohl allzu einfache Rechnung jedoch nicht auf. Adriana ist die kräftigere Figur als Paul, wie schon Rosemonde vitaler war als Charles Dé. Olimpia Carlisi verhält sich zu Philippe Leotard, wie sich Bulle Ogier zu François Simon verhielt: Beide Male sitzen die Frauen sicherer in ihren Rollen als die Männer, investieren sie mehr Körpergefühl und weniger Technik, mehr Intelligenz und weniger Kalkül. Adriana hat das letzte Bild im Film, setzt durch ihr Weggehen der Geschichte ein Ende, macht sie zu ihrer Geschichte; Paul aber, der bleibt, wo er ist, wird kurz vor Schluss abgehängt, weil er keinen Einfluss mehr auf Adriana nehmen kann, nichts Neues mehr anzubieten hat. Wo sie sich verändert hat, hat er sich erschöpft; werden bei ihr die Möglichkeiten aufgezeigt, so bei ihm die Begrenztheit. Adriana erwehrt sich jener «Normalisierung der Gefühle», die Tanner direkt anspricht und die Paul für sie vorgesehen hat; anders er selbst, der von Anfang an im Normalen drin ist und den Verrückten nur zum Schein mimt, jedenfalls nicht im geringsten die äusserste Konsequenz in Betracht zieht: wie Charles De ins Irrenhaus zu kommen, sich seine Verrücktheit amtlich beglaubigen zu lassen.

Paul hat immer nur die Rückkehr in die Ehrbarkeit im Auge gehabt; schafft er’s nicht mit Adriana, dann eben ohne sie. Ganz der Ingenieur, macht er bis zuletzt Pläne, konkrete, äusserlich durchaus realisierbare Vorschläge, wie die Behebung des Ungewöhnlichen zu organisieren sei. Er weiss, was zu tun ist, er kann sich nur nicht vorstellen, was man anderes tun könnte als das, was Umstände und Vernunft gebieten. Und seine Liebe zu Adriana ist für ihn ein Umstand, ein Faktor, eine Tatsache, eine Grösse, eines von jenen Phänomenen, mit denen er gelernt hat fertigzuwerden. Paul ist nicht der Spiesser, der sich trotzig und wütend darauf versteift, dass seine Welt in Ordnung ist, und mit dem bösen Verdacht und der Angst leben muss, sie sei’s am Ende doch nicht. Paul lässt sich in seiner schönen Ruhe sehr wohl stören, aber nur, weil er Abweichungen vom ordentlichen Lauf der Dinge bereits zum Gewohnten, Rückführbaren rechnet und fest daran glaubt, dass alles vorauszusehen und jedes Übel reparierbar, wenn nicht von vornherein abwendbar ist. Mit seinem ganzen Wissen von der Welt hat er den engeren Ausblick, weil er keine vitalen Veränderungen mehr erwartet noch wünscht, mehr noch: weil ihm die Vorstellung davon bereits abhandengekommen ist.

Für ihr proletarisches Dasein hegt Adriana nicht den mindesten sozialreligiösen Enthusiasmus. Aber sie möchte es auf keinen Fall, wie das jede Kleinbürgerin tun würde, mit der Ehrbarkeit vertauschen, die Paul ihr verheisst. Im selbsttätigen Eigenheim auf dem Hügel über dem Städtchen zu residieren, würde ihr vor allen Dingen Langeweile und Abgeschnittensein bescheren, sie dem psychischen Elend und den Zwängen des materiellen Wohlstands bürgerlicher Prägung ausliefern. Paul würde sie nicht anders lieben, als er seine Frau geliebt hat, er würde mit ihr nicht anders leben, als er mit seiner Frau gelebt hat. Man würde Kinder haben, Paul würde wieder für die ungeliebte, aber vorteilhafte freiheitliche Unternehmer-partei kandidieren. Darum geht Adriana fort: weil er nichts anderes will und nichts anders wollen kann.

Alain Tanner: Le propos dans la forme — La forme dans le propos

Pour moi c’est encore très difficile de parler de ce film: je ne l’ai pas encore digéré.

Je me suis posé davantage le problème du film. C’est clair qu’il y avait un propos, mais le problème était double. C’est à-dire qu’il y avait le propos et le film; la façon de le raconter était aussi importante que le propos lui-même. Donc la réflexion était double: c’était faire un film et faire entrer toutes les choses personnelles d’une année de préparation, les rêves, le décor qui correspond à un paysage mental et puis arriver à trouver pour cela une structure. Le problème que j’ai maintenant est que le sujet du film ou d’un film éventuellement à faire n’existe pas sans la structure. Je pourrais avoir les plus beaux sujets de films, mais si je ne sais pas comment les faire et pourquoi, je n’ai plus envie de les faire. Les deux choses sont complètement imbriquées l’une dans l’autre: le «Quoi faire» et le «Comment faire». C’est un sentiment que beaucoup de gens ne connaissent que depuis 68. On ne peut vraiment plus raconter les mêmes histoires, des histoires édifiantes, de la même façon. Il faut repenser le contenu des films dans la forme des films. Cela est le nœud du problème: travailler tout en ayant, bien sûr, un sujet, mais le sujet est dans la structure du film.

Je raconte une histoire, mais j’aplatis complètement la structure narrative pour effacer le premier degré de cette histoire. La tension doit être déplacée pour arriver à retenir l’intérêt d’un spectateur éventuel sans les prestiges du récit, de la façon traditionnelle de la narration qui est maintenant très au point pour retenir l’attention d’un spectateur. On sait comment faire; il y a toute une technique narrative particulièrement basée sur le découpage. Si on enlève cela, comment est-ce qu’on fait pour maintenir une tension à l’intérieur du récit, un fil tout le long du film, où le courant électrique va passer? Cela c’est l’obstacle majeur. C’esLà-dire qu’on a plaqué complètement la forme du récit; mais comment la tension va-t-elle rester? C’est très difficile à dire au moment où on fait ‘te film, si cela va se passer ou non. Il faut avoir beaucoup d’intuition au moment où on tourne, où les choix sont définitifs, où tout va être dans la boîte, où il faut parfois prendre des décisions très vite parce qu’il y a beaucoup de contingences: te temps qu’il fait, le problème des décors, de caméra, d’éclairage etc.

Je ressens une aversion contre le rituel de la narration cinématographique depuis toujours, mais d’une façon plus précise depuis Le retour d’Afrique. Déjà dans Charles mort ou vif il y a la tentative de casser le récit en morceaux, mais là, c’est fait d’une manière beaucoup plus intuitive sans vraiment être basé sur une réflexion profonde. Depuis Le retour d’Afrique cela devient plus net.

(Propos recueillis par Martui Schaub1)

Notre collaborateur Michel Boujut vient de publier aux éditions L’Age d’Homme un deuxième libre: Le cinéma selon Alain Tanner. Il contient le scénario intégral, une longue interview avec Tanner, un «carnet de route» ainsi que divers témoignages des collaborateurs du Milieu du Monde.

Le Milieu du Monde. Première: Festival Locarno 1974; une co-production franco-suisse, Citel Films, SSR, Genève, Action-Films, Paris. Réalisation: Alain Tanner. Scénario: Alain Tanner et John Berger. Image: Renato Berta, Carlo Varini, Daniel Bridler. Son: Pierre Gamet. Perchman: Luc Yersin. Assistants-réalisateurs: Michel Schopfer, Nicolas Philibert. Montage: Brigitte Sousselier. Décor: Serge Etter. Musique: Patrick Moraz. Producteur délégué: Yves Peyrot. Producteur associé: Yves Gasser. Interprètes: Olimpia Carlisi (Adriana), Philippe Léotard (Paul) et Juliet Berto, Denise Perron, Jacques Denis, Roger Jendly, Gilbert Bahon, Pierre Walker, Pierre Ruegg, Roland Amstutz, Adrien Nicati etc. Distributeur en Suisse: Idéal-Film, Genève. 35 mm couleur, 1:1,166, Durée: 120 min.

«L’AMOUR D’UN INGENIEUR»

Le Milieu du Monde, le nouveau film d’Alain Tanner, est interprété dans l’article de Pierre Lâchât avant tout comme un retour aux premières inspirations de l’auteur, à savoir celles de Charles mort ou vif et La Salamandre. Sans renier Le retour d’Afrique, Le Milieu du Monde y apporte des corrections importantes. La plus grave: la caméra, grâce à l’emploi de la couleur, se situe plus à l’arrière que dans Le retour d’Afrique. Suit une description psychologique des deux personnages principaux, Paul et Adriana, lui étant vu comme quelqu’un qui ne peut faire autrement que comprendre le monde de son point de vue d’ingénieur; tandis qu’elle, prolétaire, ne peut accepter la vie «normalisée» que Paul s’efforce sincèrement à lui offrir. (chat)

Pierre Lachat
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(Stand: 2020)
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