Unter den bulgarischen Filmen über die Migration ist Christo Christows Beitrag zweifellos der ambitionsreichste, mag man ihm auch Schopows Ewige Zeiten vorziehen. Nicht umsonst hat Christow auf die Vorlage des brillanten Schriftstellers Jordan Raditschkow zurückgegriffen; seine kompositorische Vielfalt und sein phantastischer Realismus bieten sich Christows Vorliebe für das Allegorische und Philosophische geradezu an. Was im konkreten Einzelgeschehen beobachtet wird, gewinnt so zusätzliche Dimensionen. Christow analysiert das Scheitern eines Mannes unter dem Gewicht eines übermächtigen Fortschritts. Ein Vater (Efreitorow) will den Bruch mit seiner bisherigen Welt nicht akzeptieren: Wo das Dorf in die Stadt zieht, hält er an seinen eigenen (nationalen) Wurzeln fest. Zwar steigt das gestaute Wasser unaufhörlich an; zwar fühlt er sich isoliert; zwar wüten um ihn Zerstörung und Tod, und selbst sein Sohn sagt sich von ihm los. Doch seine Festigkeit verweigert jede Anpassung; er wird zu einem hoffnungslosen, tragischen Schattenboxen verurteilt, das Christow mit einer visuellen Kraft von grosser Plastizität — und mit Verständnis darzustellen vermag.
Christow geht es darum, «den Zusammenbruch eines individualistischen Charakters unter der Entwicklung des technischen Fortschritts zu zeigen. Wir erleben seit einiger Zeit eine Integration der Gesellschaft in grössere soziale Formen, und jeder Versuch, gegen das Neue im Leben Widerstand zu leisten, erleidet Schiffbruch. Genau das geschieht mit Efreitorow. (..) Er leistet der natürlichen Entwicklung der Dinge Opposition, und daher rühren: der Tod seiner Frau, der Tod seines Vaters, die Flucht seines Sohnes. Wohlverstanden: Wir sollen die Fähigkeit Efreitorows nicht leugnen, das Neue, das in seinem Leben auftritt, zu entdecken und abzuwägen; aber sein Charakter ist sehr stark, schwierig zu durchdringen, und das ist der Grund dafür, dass er nur auf so penible Art gebrochen werden kann. Efreitorow ist eine Doppel-Figur, die in sich zugleich die Jugend und das Alter verkörpert. (...)»
Christow will auch zeigen, «was unserem Volk seine eigene Identität gibt». Die sozialen Aspekte beleuchtet er durch ein Interview mit den Bauern, und er kommt zum Schluss: «Die Jungen reagieren mit sehr viel mehr Gleichgültigkeit. (...) Die Alten dagegen öffnen sich dem Unbekannten, das sie erwartet, in viel schwierigerer Weise. Dadurch ziele ich darauf, den sozialen Rahmen der Erzählung auszuweiten, den Verismus und die Einfachheit einzuführen, die für diese Parabel so notwendig sind.» Christow setzt sich auch mit dem Krieg auseinander, im Monolog des Alten: «Er prüft und kommentiert den Krieg mit philosophischer Klugheit. Er sucht nach Kriterien und Definitionen, die den Krieg als zerstörerische Erscheinung auslegen, die im Gegensatz zur menschlichen Natur steht.» Ein Generationenkonflikt liegt dagegen nicht vor. Denn: «Der Alte denkt mit der Psychologie der Jungen. Er trägt in sich mit mehr Klugheit A- Wünsche eines jungen Wesens.» (Zitate: aus einem Interview mit Christo Christow, erschienen in «Films Bulgares», 1/73.)