Nach seinem 1972 in Locarno ausgezeichneten Sketch Examen (Drehbuch: Chaitow) gelang dem jungen Georgi Dulgerow mit Und der Tag kam... der bisher vielleicht gültigste Beweis für jenen Blick auf die Vergangenheit, der durch das Prisma der Gegenwart erfolgt. Voraussetzungen dazu waren: (die Optik der heute Dreissigjährigen, das Drehbuch von Wassil Akiow, der selbst im Partisanenkrieg engagiert war (Vögel und Windhunde!), sowie das Einhaken im Befreiungstag dem 9. September 1944. Da liegt bereits die ganze Dialektik vorgezeichnet, die Akiow und Dulgerow konsequent weiterziehen: zwischen Jetzt und Damals, Reflexion und Aktion Fiktivem und Dokumentarischem sowie zwischen dem Individuum und dem Ganzen. Erst wo der Kampf mit den Waffen beendet ist, kann Bilanz gezogen werden. Doch wo am Tag der Befreiung noch Chaos herrschte, erfolgt jetzt der Blick von einer erhöhten Lage aus; jetzt zählt jedes Menschen-schicksal gleich viel. Und es wird deutlich, dass die eigentlichen Schwierigkeiten nach der Revolution beginnen.
Diese Übersicht ist für die neunzehnjährige Hauptfigur, Mustafa, noch unmöglich. Am wichtigsten sind für ihn drei Figuren: sein Mädchen Pschenitschka, der Partisanenführer und ein unglücklicher Mitkämpfer, Mattei. An Mattei zeigt sich, dass auch völlig Unschuldige zum Opfer des Kampfes werden können. Und ehe er sich umbringt, stellt er eine der zentralen Fragen des Films: «Wie kann man der Welt antworten, bevor man sich selbst geantwortet hat?» Zweifel, Skepsis und Zögern gibt es viele in diesem Film. Eine der Fragen konfrontiert Mustafa mit dem Partisanenführer, dort, wo Gerechtigkeit geübt wird, die Verräter hingerichtet werden sollen. Unter ihnen ist ein ehemaliger Freund Mustafas, der deutlich macht: Für sie, die Partisanen, war es leicht, zu kämpfen, sie waren nicht in den Klauen der Polizei; für die Unbefleckten ist es also leicht, über die Verräter zu urteilen. Mustafa lässt den Freund laufen. Darin wird deutlich, was Akiow so formulierte: «Die Opfer sind das Gewissen der Geschichte.» Und der allegorische Schluss mündet in die moderne Tendenz, sich von der Story in offener Struktur zu entfernen. Da erfolgt ein Denkanstoss, der zeigen könnte, dass Geschichte und Freiheit ein unaufhaltsamer, dauernder Prozess sind und dass, wie der Kritiker Ognian Sparew meinte, «der Mensch nicht für das Heldentum programmiert zur Welt kommt.»
Und der Tag kam... war praktisch ein Auftrag zum 25. Jahrestag der bulgarischen Revolution. Bis der Film die offensichtlich komplizierten Hürden genommen hatte, wurde es fast ein Beitrag zum 30. Jahrestag. Was soll's — es ist dies ein denkwürdiges Gedenktags-Geschenk, das dem bulgarischen Film zur Ehre gereicht.