In einem Heft über Zensur ist hinzuweisen auf die kürzlich erschienene juristische Dissertation von Dieter W. Neupert «Die Filmfreiheit und ihre verfassungsmässigen Schranken» (Verlag Hans Rohr, Zürich 1976). Wer sich aus juristischer Sicht mit Fragen der Zensur beschäftigt, wird diese Arbeit beiziehen müssen.
Wie steht es mit der Filmfreiheit in der Schweiz? Sie ist — anders als die Pressefreiheit — in der Schweizerischen Bundesverfassung nicht formuliert: Als die Vorschriften über die Pressefreiheit in die Verfassung aufgenommen wurden, existierte das Massenmedium Film noch nicht. Es herrscht also eine «echte Verfassungslücke». Neupert zeigt in seiner Untersuchung, wie sie auszufüllen wäre. Er kommt zum Schluss, es sei «de lege ferenda zu wünschen, dass die Filmfreiheit als Garantie einer ‘freien Kommunikation durch das Medium Film’ anlässlich der bevorstehenden Totalrevision der Bundesverfassung Aufnahme in den Verfassungstext findet...»
Neupert leitet die Notwendigkeit eines selbständigen verfassungsmässigen Rechtes der Filmfreiheit aus der Rechtsidee der Kommunikationsfreiheit ab, welche sowohl als Individualrecht wie auch als notwendiges demokratisches Prinzip unabdingbar ist. Eine Analyse der herrschenden juristischen Lehre und der Rechtsprechung sowie die Berücksichtigung bundesdeutscher und nordamerikanischer Gerichtsurteile führen zu der Erkenntnis, dass die Filmfreiheit, analog zur Pressefreiheit, aber von ihr als eigenständiges Recht getrennt, «als Unterfall einer umfassenden Kommunikationsfreiheit» zu verstehen ist. Sie garantiert «prinzipiell jedem Erwachsenen das Recht, unbehelligt Filme herzustellen, zu verbreiten und vorzuführen, sich in ihnen in Wort und Bild zu äussern und sich aus ihnen ungehindert zu informieren.»
Nachgewiesen wird die Unhaltbarkeit einer Zensur. Die Filmfreiheit wird allenfalls eingeschränkt durch die Persönlichkeitsrechte Anderer und durch das Wohl der Gemeinschaft. Neupert schlägt eine gesetzliche Regelung vor, welche es ermöglicht, gesellschaftsschädigende, nämlich verharmlosende oder verherrlichende Darstellung von Gewalt zu verbieten, und erarbeitet eine liberale und flexible Interpretation des Unzüchtigkeitsbegriffes, welche die sich verändernden Wertvorstellungen der Gesellschaft einbezieht.