MARKUS JAKOB

NO EXIT — ROCK HUDSON, ROBERT STACK UND DOROTHY MALONE

ESSAY

In zwei Filmen Sirks, Written on the Wind und The Tarnished Angels sind in den Hauptrollen Rock Hudson, Dorothy Malone und Robert Stack zu sehen. Beide Filme wurden von Albert Zugsmith produziert und von George Zuckerman geschrieben.

Rock Hudson ist eines der besten Pseudonyme, das je ein Hollywoodstar gewählt hat, oder das ihm verpasst wurde. In den Filmen von Douglas Sirk verkörpert er aus dem tiefsten Alltag die Festen, Starken aber Netten, deren Charakter unangetastet von der Kaputtheit der andern bleibt:

Deferential, glad to be of use,

Politic, cautious, and meticulous;

Full of high sentence, but a bit obtuse;

At times, indeed, almost ridiculous—

Almost, at times, the Fool.

Eliot zitierend, beschreibt Sirk die Figur des Reporters, die Hudson in den Tarnished Angels spielt. Als ich ein Kind war und Rock Hudson noch ein grosser Star (das ist eine ziemlich verschleierte Erinnerung), war uns der Anblick dieses sauberen Riesen mit dem nichtssagenden Gesicht lächerlich und vergnüglich. Hudson war ein Pin-up, wirklich das männliche Pin-up der späten fünfziger Jahre. Es war uns zwar nicht bekannt, welche Rollen dieser Rock in seinen Filmen einahm, doch das Image erahnten wir und lachten zu Recht.

Hudson ist weder ein guter, noch ein schlechter Schauspieler, sondern gar keiner, der, wie auf andere Art Steve McQueen und Bruno S., Marilyn Monroe und Malcolm McDowell (zum Beispiel) das Talent besitzt, seine Scham zu besiegen, sich auszustellen und sich selbst zu spielen, oder wie immer man das nennen will. Der gute Filmdarsteller kann wohl ein ganz mieser Schauspieler sein, falls die Rolle, die er spielt, immer er selbst ist. Hudson spielte Rollen, die er zweifellos auch im Leben hätte spielen können; ein paar Möglichkeiten seines Lebens. Untheatralisch, nur mit seiner Ausstrahlung.

In All That Heaven Allows einen Gärtner, der die Bäume einer Mittelstandswitwe schneidet — und dann beginnen die beiden sich, nach einem Kaffee, zu lieben. Doch für die College-, Country-Club- und Karriere-Meute, die um die Frau herum ist, scheint der junge, sinnliche Gärtner ein unpassender Tröster für eine vierzigjährige Witwe. Dafür stellen sie ihr einen Fernsehapparat ins Wohnzimmer, und das zerreisst einem, in der Einfachheit, wie Sirk es erzählt und gestaltet, das Herz.

Ein bisschen Naturbursche — wie gut ihm das steht! — (einer der weiss, dass er es ist, und warum) ist Hudson auch in Written on the Wind. (Schon diese Titel von Sirks Filmen!). Written on the Wind, wie All That Heaven Allows und Imitation of Life, zeigt den Zusammenbruch des amerikanischen Familienlebens, das doch gerade in den fünfziger Jahren einen so gemütlichen und unverrückbar sicheren Anschein machte.

Hier ist die Geschichte von Written on the Wind (das Verhängnis ahnt man voraus, da alles als Rückblende erzählt wird): Rock Hudson, ein Geologe und Ölforscher, ist seit gesegneten Kindestagen der Freund einer reichen, reichen Ölfamilie. Dank seines Wissens, seines stabilen Charakters etc., verdrängt er seinen Jugendfreund (Robert Stack), den leiblichen Sohn des alten Ölmannes, aus der Rolle des Kronprinzen. Stack, ein schwerer Trinker, kommt ihm aber zuvor, als sich beide in die schöne und ruhige Lauren Bacali verlieben: Blitzhochzeit. Stacks Schwester, die leichtfertige und leidenschaftliche Dorothy Malone, buhlt vergebens um Rock, die Liebe ihrer Kindheit. Stack hat dem Trinken abgeschworen, aber nach einem Jahr, als die Ehe kinderlos bleibt, befällt ihn Angst vor Sterilität, und er fällt ins alte Elend zurück. Hudson gerät in Verdacht, als Lauren Bacali doch schwanger wird. Stack bedroht ihn; Dorothy Malone versucht, dem Bruder den Revolver zu entwinden. Da löst sich ein Schuss und tötet diesen.

Rock Hudson ist angewidert von den Intrigen und der Unmoral im Ölhaus; er hält seine Machtlosigkeit fast nicht mehr aus, und manchmal ziehts ihn hinaus zu seinem Vater in eine Waldhütte, und dann wird gejagt und im Schaukelstuhl auf der Veranda in der Nachmittagssonne geplaudert. Er vertritt Sirks Hang zur Outdoor Americana, zu Ruhe, Weite, Sicherheit. Dorothy Malone und Robert Stack aber, die Gebrochenen, Kaputten, verwandeln die Idylle zum Trugbild. Natürlich ist Rock unschuldig und gut, eindeutig ein Mustermann. Aber seine Figuren, sagt Sirk, sollten nicht eindeutig sein. Und in den Wirrungen der Geschichte bekommt der Eindeutige plötzlich eine höchst zwiespältige Rolle; seine Güte bewirkt Böses, löst die Katastrophe erst aus, und seine Rettungsversuche, in ihrer Ehrlichkeit, bekommen dieses Lächerliche, Beschränkte, weil sie hoffnungslos sind. Schliesslich wird er selbst in den Abgrund gerissen, Mordverdacht fällt auf ihn; seine Zukunft hängt von der Aussage Dorothy Malones ab, die ihn mit einem Wort in den Kerker werfen lassen kann. Sie kämpft mit sich, mit ihrer Liebe zu dem Braven und dem Wunsch, ihn zu vernichten. Da findet sie sich mit der Sinnlosigkeit ihrer Leidenschaft ab, und rettet ihn. Hudson und Bacali fahren davon. Und im Schlussbild bekommt der Film noch einmal eine neue Dimension: Dorothy Malone, das Luder mit dem roten Sportwagen, das Flittchen, allein im Bureau, hält sich an einem Miniatur-Ölturm und hat nichts mehr; eine schöne Frau und alles ist elend traurig

Er interessiere sich nicht für ein Scheitern im Sinne der Neoromantiker, die die Schönheit des Zusammenbruchs postulieren, sagt Sirk. «Es ist eher ein Art des Scheiterns ohne Sinn und Verstand. In Written on the Wind und The Tarnished Angels ist es ein hässliches, ein völlig hoffnungsloses Scheitern. Es gibt keinen Ausweg.» No Exit.

«Die glanzlosen Engel» sind Piloten, die zur Unterhaltung der kaputten Massen in der Depressionszeit ihre ausgebufften Maschinen um die Wendemarken auf Flugfeldern hetzen und dabei häufiger als nicht zu Tode stürzen. Veteranen des Weltkriegs, unnütz geworden und nun verrückt nach neuer Bestätigung ihres Lebens. Faulkner schrieb das Buch «Pylon», nach dem Sirk diesen Film drehte. In Cinemascope, aber nur schwarz-weiss, weil das Studio der Story nicht traute.

Rock — natürlich — ist keiner dieser knallharten, bis ins Herz unterkühlten Flieger; er ist bloss Reporter beim Lokalblatt, tief unter in Louisiana, und denkt sich, die Flieger wären ‘ne gute Story. Da quartiert er den Piloten, den Mechaniker, die Frau, die bei ihnen ist und ihr Kind, bei sich zu Hause ein, bevor sie weiterziehen nach Dallas, Oklahoma City oder El Paso.

Nun ist zwar Hudson in diesem Film nicht der geradlinige oder senkrechte Bursche wie in Written on the Wind — er trinkt eine Menge und erfüllt die Anforderungen seines Berufs, die nicht nur brav-bürgerlich sind — aber verglichen mit der Welt Malones und Stacks ist die seine intakt. Dorothy Malone, die Frau, die im Vorprogramm des Fliegerzirkusses mit dem Fallschirm abspringt und ihre Beine zeigt, beschreibt Hudson, dem Verständnisvollen, ihr Leben mit Stack, dem Piloten, und dem Mechaniker; wie sie darum würfeln, wer von beiden der Vater ihres Kindes sei; das Wechselbad ihrer Liebe zu Stack. Durch die einfache Frage, ob sie sich nicht erniedrigt gefühlt habe, gewinnt Rock einen Anflug von Liebe des Mädchens, aber der Kuss voll Sehnsucht wird von hämischen Karnevalmasken zerstört, die zur Zimmertür hereinstürzen; eine bebende Szene, die klarmacht, dass es für diese Frau keine Ruhe, keine Geborgenheit geben kann. Denn da ist Stack, den sie besinnungslos liebt, und als er in den Tod, ins Wasser fliegt, gibt es für Hudson und Malone einen kalten, unpathetischen Abschied und keine weit offene Tür zur Zukunft: weil es nicht anders sein kann.

Robert Stack — wer kennt schon seinen Namen? — ist der grossartigste Darsteller des Scheiterns und Versagens, den man sich vorstellen kann. Er ist nicht nur als Filmfigur ein Gegenpol zu Rock Hudson, sondern auch in der Art seines Spiels, die manche Register der Schauspielkunst einschliesst. Allein, wie er den Gang, das Schrittmass eines Betrunkenen spielt, ist hinreissend. In Written on the Wind ist er fast ständig betrunken. Kann einer zu gut sein, um berühmt zu werden?

Markus Jakob
Keine Kurzbio vorhanden.
(Stand: 2020)
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