PETER-CHRISTIAN FUETER

CONDOR PRO DOMO

CH-FENSTER

Anfangs März bediente Peter-Christian Fueter, Teilhaber der Condor-Film AG, Zürich, die gesamte Schweizer Presse (auch uns) mit einem Spezialpressedienst, der «sich mit den Möglichkeiten und der Problematik des Auftragsfilms in der Schweiz auseinandersetzt». Unseres Wissens ist das Manuskript nirgends vollumfänglich abgedruckt worden. Wir tun es gerne. Der Text reizt zur Kommentierung, aber wir überlassen das unseren Lesern.

Gerade weil Firmen und Organisationen in der Schweiz filmbewusster werden und dieses seit Jahrzehnten erfolgreiche Medium immer umfassender einsetzen, ist der Auftragsfilm neu in Diskussion geraten. Hinterfragt wird, ob es sich bei Industrie-und PR-Filmen um Information oder Schönfärberei handelt. Gezweifelt wird an der Absicht des Auftraggebers, politische, kulturelle und soziale Fragen in sein Filmkonzept zu integrieren, unterstellt wird ihm ein manipulatorischer Effekt. Aus der Praxis jahrzehntelangen Filmschaffens kann dem geantwortet werden: Der gute Auftragsfilm ist immer informativ, er vermeidet Schönfärberei; aber er dient stets auch in erster Linie dem Auftraggeber, der mit seinem Film ein Informationsziel erreichen will.

Angriffe gegen Auftragsfilme, die von Schweizer Unternehmen für ihre firmenspezifische Zielsetzung produziert werden, sind zwar beliebt, gehen aber im Ansatz fehl. Diese Filme sind so wenig objektiv wie diejenigen einer sozialen Institution, die Verständnis für Kinder oder Behinderte wecken will oder eines sozialistischen Filmkollektivs, das die Abschaffung kapitalistischer Produktionsverhältnisse auf seine Fahnen geschrieben hat. Zweifellos spielt der Film wegen seiner emotionalen Stärken, die er unabhängig von der rationalen Informationsvermittlung ausspielen kann, eine wichtige Rolle als «Manipulator». Gerade deshalb ist die Frage wichtig, mit welcher Einstellung ein unabhängiger Produzent solche Aufgaben übernehmen kann.

Längst ist bekannt, dass die Unabhängigkeit des Produzenten eine Fiktion ist, die nur unter besonders günstigen Voraussetzungen kurzfristig durchgehalten werden kann. Im Bereich des Auftragsfilms ist der Produzent vor allem abhängig von seinen Auftraggebern, die den Film als Teil eines Informationskonzeptes einsetzen. Kein langfristig glaubwürdiger Produzent kann einen Film anders anlegen, als dieser dem übergeordneten Konzept entspricht. Er kann sich allein die Frage stellen, ob eine Identifikation mit dem Konzept möglich ist. Dies ist allerdings eine theoretische Annahme, da er selten in allen Einzelheiten mit dem Gesamtkonzept vertraut gemacht wird und letzte Hintergründe nicht kennt. Somit stellt sich ihm allein die Frage, ob er das Filmkonzept mit seiner inneren Haltung vereinbaren kann.

Hier sei ergänzt, dass sich gerade Schweizer Filmproduzenten in hohem Masse den Luxus leisten können, ihre innere Haltung und die ihrer kreativen Mitarbeiter ins Spiel zu bringen. Dies ist weitaus weniger der Fall, wenn man über die Landesgrenzen schaut, wo professionelle Filmunternehmen den Pressionen des Marktes zum Teil stärker unterliegen. Angesichts der relativen Kleinheit des Schweizer Filmmarktes gibt es in der Schweiz noch eine enge Verbindung zwischen einerseits professionellen Filmproduzenten und anderseits freischaffenden, eher linksliberalen bis linken Filmemachern. Beide sind in einem gewissen Masse aufeinander angewiesen und konnten bisher gut koexistieren. Erst die Zuspitzung der politischen und sozialen Diskussion, die jetzt erfolgt, stellt diesen «pragmatischen Kompromiss» punktuell in Frage.

Die Unabhängigkeit des Produzenten wird auch eingeschränkt vom Medium Film selber, das er, wie das Kind den Geist aus der Flasche, nur dann zu kontrollieren vermag, wenn er es perfekt beherrscht. Filme brauchen, um Interesse beim Zielpublikum zu finden, eine klare Aussage sowie eine zügige Handlung. Beide stehen nicht selten im Widerspruch zur Erklärungsnotwendigkeit bestimmter Sachthemen, die nur aspektbezogen behandelt werden können, um sie in den Griff zu bekommen. Üblicherweise sind Auftragsfilme nicht länger als maximal zwanzig bis dreissig Minuten. Gegeben ist damit eine zeitliche Einschränkung, die manchmal auch eine gröbere Optik erzwingt.

Ein seriöser Filmproduzent wird sich nicht dazu hergeben, im Auftrag eines Klienten via Film Unwahrheiten in die Welt zu setzen. Diese Unwahrheiten haben, wie Beispiele aus der jüngsten europäischen Geschichte zeigen, kurze Beine. Wenn das Hitler-Deutschland für die damalige Zeit den Film nahezu perfekt einsetzte, so hat dies den Zusammenbruch unseres nördlichen Nachbarn dennoch nicht verhindern können. Auch die besten Imagefilme für ein Ferienland täuschen den Touristen nach dem ersten Besuch nicht darüber hinweg, dass die Hotels kläglich und die Annehmlichkeiten gering sind. Deshalb wird der Filmproduzent seinen Auftraggeber auf die Schwächen in der Argumentation aufmerksam machen, wobei die Grenzen eines derartigen Vorgehens jedermann einsichtig sind.

Da der professionelle Auftragsfilm gerade von politisch eher linksstehender Seite ins Kreuzfeuer genommen wird, muss diese Tatsache gewürdigt, aber nicht überbewertet werden. Kritik von links heisst Kritik am Kapitalismus und an allen «kapitalistischen Agenturen». Der von privatwirtschaftlichen Unternehmen produzierte Auftragsfilm wird sich - aus echter Überzeugung des Produzenten - immer mit der Privatwirtschaft identifizieren. Dies ist so selbstverständlich wie die Haltung eines linken Filmkollektivs. Ist die Kritik demzufolge klar politisch motiviert, sagt sie mindestens ebenso viel über den Absender wie den Adressaten aus.

Schlechte Industrie- und PR-Filme sollen beim Namen genannt werden, denn sie nützen niemandem. Der gute Schweizer Produzent kann der flachen Einseitigkeit schlechter Filme entgegenwirken, indem er in Absprache mit dem Auftraggeber vor Beginn der Drehaufnahmen eine ausreichende Informationsphase für das Filmteam einplant. Er wird dann in intensivem Gespräch mit dem Auftraggeber ein Konzept erarbeiten, das gut und glaubwürdig ist. Produzent und Autor müssen sich dem Klienten stellen und ihre Kritik formulieren. Sie dürfen jedoch nicht in einer falschen Optik verharren, auch dann nicht, wenn das erklärte Ziel des Filmes ihren persönlichen Überzeugungen widerspricht. Führt dies zu einem Konflikt, ist der Auftrag abzulehnen oder ein neues Filmteam bereitzustellen.

Die Schweizer Unternehmen und Organisationen, die Verwaltung und die Schulen aller Stufen haben zu Beginn der achtziger Jahre mehr Filmerfahrung als noch vor zwanzig Jahren. Diese Erfahrung einerseits und die Praxis neuer Filme anderseits lassen darauf schliessen, dass die Diskussion um die Funktion des Auftragsfilms im Gange bleibt. Am Ende steht der gute Film, auf den die Schweiz heute als kleines, grosses Filmland stolz sein kann.

Peter-Christian Fueter
Keine Kurzbio vorhanden.
(Stand: 2020)
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