PETER OLPE

ARCHITEKTUR UND BILDKOMBINATIONSTECHNIK

ESSAY

Unter Bildkombinationen im Film sind Verfahrenstechniken zu verstehen, die mit Hilfe von Aufnahmekamera, Zusatzeinrichtungen und Kopiermaschine mehrere separate Bildelemente zu einem Bild zusammenfügen.

Zu Beginn zeige ich Ihnen drei Filmbilder, bei denen diese Technik eine wesentliche Rolle gespielt haben: King Kongs letztes Gefecht auf der Spitze des Empire State Buildings in dem gleichnamigen Film von Shoedsack und Cooper von 1933, die Fahrt einer kolossalen Science Fiction-Architektur durch das All in Stanley Kubricks Film 2001, A Space Odyssey von 1968 und der Eisenbahnzug, der im Fenster der Telegraphenstation in Edwin S. Porters Film The Great Train Robbery von 1903 sichtbar wird.

Es ist auffallend, dass man auf der Suche nach Beispielen für die Anwendung von Kombinationstechniken oft auf Szenen mit Architektur trifft. Porters Bild entstand aus Mehrfachbelichtungen mit Hilfe von Maskierungen, Willis O’Brien, der Tricktechniker von King Kong, kombinierte Rückprojektion und Puppenanimation, und das Jupiterraumschiff flog, freigestellt durch handgezeichnete Wandermasken, durch den Weltraum. Es scheint, dass Architekturelemente wie Fenster, Gesimse, Säulen, die klaren, geradlinigen Begrenzungen und die eindeutigen, perspektivischen Verhältnisse den Einsatz von Kombinationstechniken begünstigen.

Ich werde hier eine begrenzte Auswahl von Kombinationstechniken vorstellen, die in der Filmindustrie in Europa und den USA benutzt wurden und im Zusammenhang mit Architektur von Bedeutung waren oder es noch sind. Die meisten sind sogenannte «in der Kamera-Techniken» oder aber Verfahren, bei denen ein wesentlicher Teil der Kombinationsarbeit am Drehort mit der Aufnahmekamera auf dem Originalfilm ausgeführt wird. Bildkombinationen, die ausschliesslich im Labor auf Kopier- oder besonderen Trickkopiermaschinen, wie z. B. die optische Bank, hergestellt werden, möchte ich hier nicht erwähnen. Eine annähernd aufschlussreiche Beschreibung dieser Verfahren würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen.

Es ist schwierig herauszufinden, welche Kombinationstechnik für ein bestimmtes Bild verwendet wurde, da es einerseits für gleiche Resultate verschiedene Lösungsmöglichkeiten gibt, und andererseits die Filmindustrie vor allem in den dreissiger und vierziger Jahren sehr zurückhaltend mit der Veröffentlichung von Arbeiten ihrer «Special Effects»-Labors war. Da die Techniken nicht selten wie Geheimrezepturen gehütet wurden, ist man weitgehend auf Spekulationen angewiesen. Und die immer wieder in der Literatur breitgetretenen Filmbeispiele schienen mir nicht interessant genug, um sie hier nochmals aufzuführen. Darum gehen die bildlichen Darstellungen zu den Kombinationstechniken nicht von gegebenen Filmen aus, sondern sind fiktive filmtechnische und bauliche Einrichtungen. Auch ging es mir darum, die technische Installation und die für die Kombinationsarbeit notwendigen Bauten als besondere Form von Filmarchitektur sichtbar zu machen.

1. Hintersetzer; 2. hängendes Modell; 3. Einspiegelung nach Schüfftan; 4. Glass-shot; 5. Glass-shot in zwei Phasen; 6. Rückprojektion; 7. Aufprojektion.

1. Hintersetzer

Der Hintergrundprospekt oder sogenannte Hintersetzer ist wahrscheinlich das älteste Kombinationsverfahren des Films und eine Übernahme aus der Dekorationstechnik der Theaterbühne. Georges Méliès, der Altmeister des Filmtricks, verzichtete in kaum einem seiner Filme darauf, mit dem Hintersetzer die kleine räumliche Tiefe des Studios durch einen gemalten Hintergrund illusionistisch zu verlängern. Noch sind in seinen Filmen die Malereien als Technik sichtbar. Später, in den zwanziger und dreissiger Jahren, wurde die Hintersetzermalerei derart technisch auf die Spitze getrieben, dass man in der Lage ist, eine perfekte räumliche Illusion zu schaffen. Nahtlos schliessen dreidimensionale Bauten an ebene oder gewölbte riesige gemalte Hintergründe an. Das eine Auge der unbewegten Filmkamera ist nicht in der Lage, zwischen flächigen und räumlichen Objekten zu unterscheiden, wenn es gelingt, in Tonwerten und Perspektive die Übergänge perfekt zu verschleiern. Hier unterscheidet sich die Hintersetzertechnik des Films vom Prospekt der Theaterbühne. Letzterer ist immer als zweidimensionaler Hintergrund zu entlarven. Eine leichte Kopfbewegung des Betrachters genügt, um die räumliche Tiefe zu überprüfen.

Der Einsatz von grossen Hintersetzern ist sowohl bei Aussenaufnahmen als auch bei Studioaufnahmen üblich. In den ersten zwei Jahrzehnten der Tonfilmproduktion (1930-1950) gehörte der gemalte Hintergrund neben der Rückprojektion zur Standardtechnik, mit der auf der Tonfilmbühne grosse räumliche Tiefe gezeigt wurde.

2. hängendes Modell

Eine Technik, die besonders im Stummfilm von Bedeutung war, beruht auf der Kombination von dreidimensionalen, massstäblich verkleinerten Modellen und realer Architektur. In der Regel betraf die Ergänzung den oberen Bereich des Bildes. Die Modelle hingen also gleichsam über der Szenerie, schliessen aber aus der Sicht des Kameraobjektivs an die 1:1-Architektur an. Im Gegensatz zu anderen Kombinationstechniken, wie z. B. dem Hintersetzer oder dem in einem nächsten Abschnitt behandelten Glass-shot, ist das hängende Modell ideal für Aufnahmen unter wechselnden Lichtverhältnissen, denn Schlag- und Körperschatten verhalten sich auf dem Modell und der realen Architektur gleich. Wichtig ist natürlich, dass überhaupt genügend Licht vorhanden ist, damit das Kameraobjektiv soweit abgeblendet werden kann, dass die Schärfentiefe das Modell und die weit entfernte 1:1-Architektur einschliesst, d. h., dass beide Bildteile auf dem Film scharf abgebildet werden. Ein sehr aufwendiges hängendes Modell wurde In der ersten amerikanischen Ben-Hur-Verfilmung von 1926 realisiert, und zwar für die Szenerie des Wagenrennens im Circus Maximus. Man hatte den Bereich der Rennbahn und des ersten Ranges der Tribünen als Kulissenarchitektur aufgebaut und mit einigen tausend Komparsen bevölkert. Darüber befand sich, dicht vor der Kamera, das hängende Modell. Es umfasste den zweiten Rang - besetzt mit beweglichen Puppen - und den übrigen Teil des Stadions. Die Puppen konnten zusammen mit den lebenden Statisten der unteren Ränge aufspringen und die Arme in die Höhe werfen.

3. Einspiegelung nach Schüfftan

Ein häufig zitierter Kombinationstrick des Stummfilms ist nach seinem Erfinder, dem deutschen Kameramann Eugen Schüfftan, benannt. In den zwanziger Jahren wird dieser Trick besonders in den Studios Deutschlands und Englands verwendet. Er wird meist im Zusammenhang mit Fritz Längs Film Metropolis genannt. Bei der Produktion dieses Filmes soll er mehrfach zur Kombination von Schauspielerszenen und kolossalen Architekturdekors gedient haben.

Ähnlich dem Trick «hängendes Modell» ermöglicht der Schüfftantrick das Verknüpfen von massstäblich verkleinerten Modellen mit realen Szenerien, wobei wichtigstes Hilfsmittel ein Spiegel ist, der sich in einem Winkel von 45° in der optischen Achse des Aufnahmeobjektivs befindet. Die Silberschicht liegt ungeschützt an der Oberfläche des Glases und ist dem Kameraobjektiv zugewendet. Die Darstellung zeigt, wie das Modell einer Häuserzeile mit der realen Szenerie einer Haustür kombiniert wird. Nach genauen Berechnungen der Grössen, Distanzen und Winkel wurden die beiden Bildteile aufgebaut. Das Modell ist seitenverkehrt und in einem Winkel von 90° zur optischen Achse des Kameraobjektivs versetzt. Unter fortwährender Kontrolle des Sucherbildes wurde der Silberbelag an jener Stelle entfernt, an der die Haustür und ein Stück der Umgebung sichtbar gemacht werden soll. Dies geschieht durch Wegkratzen oder Ätzen des Spiegelbelages.

Auch hier ist ausreichende Schärfentiefe wichtige Voraussetzung, denn das Modell liegt im Nahbereich des Kameraobjektivs, während die Haustür weit entfernt ist.

4. Glass-shot

Auch der Glass-shot ist eine Technik des Stummfilms. Er ist der Klassiker unter den Kombinationsverfahren amerikanischer Herkunft und Ausgangspunkt einer ganzen Reihe von Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Kombinationstechnik. Der Glass-shot ist eine der Techniken, die auf die Tricks der Fotografen des 19. Jahrhunderts zurückgeht. Mit seiner Hilfe deckten sie während der Aufnahme unerwünschte Details ab. Auf einer Glasscheibe vor dem Kameraobjektiv übermalten sie z. B. einen störenden Baum vor einer Hausfassade. Auf diese Art «retuschierten» sie die Fotografie bereits vor der Aufnahme.

Die Darstellung zeigt die Installation und Vorbereitung eines Glass-shots im Tageslichtatelier eines Stummfilm-Studios. Ziel der Kombinationsaufnahme ist es, eine Decke auf Kulissenwände eines Zimmers zu setzen. Die offenen Decken bei Innenaufnahmen sind in den Anfängen des Films eine lichttechnische Notwendigkeit, da die Sonne die einzige brauchbare Lichtquelle ist.

Der Kameramann oder ein spezialisierter Glass-shot-Maler hat unter dauernder Kontrolle des Sucherbildes auf der Glasscheibe Ausdehnung und Perspektive der Ergänzung aufgezeichnet. Dann wird die Malerei mit Ölfarben ausgeführt und der Künstler achtet darauf, dass die Tonwerte mit den Lichtverhältnissen in den Kulissen korrespondieren. Vor der Aufnahme wird die Kamera bis auf das Objektiv mit schwarzen Tüchern oder Pappen abgedeckt, damit im Glas keine Reflexionen auftreten. Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, dass die Glasmalerei ausreichend beleuchtet ist. Dies geschieht in der Frühzeit des Films ausschliesslich mit weissen Stellwänden, die das Tageslicht auf die Malerei und natürlich auch in die Kulissen reflektieren. Wie bei den anderen, zuvor besprochenen Techniken ist auch beim Glass-shot eine grosse Ausdehnung der Schärfentiefe absolute Voraussetzung. Auch später, in den dreissiger und vierziger Jahren, müssen offene Decken durch Bildkombinationstechnik geschlossen werden, denn die Mikrofone und Scheinwerfer hängen im Himmel der Tonfilmbühne. Es wird dann aber eine reine Kopiertechnik sein, mit der die Bildkombination hergestellt wird. Als Zwischenglied in der technischen Weiterentwicklung des Glass-shots zur reinen Kopiertechnik ist das

folgende Kombinationsverfahren zu sehen: der Glass-shot in zwei Phasen. Ein Verfahren, bei dem die eigentliche Ergänzungsarbeit, die Herstellung der Malerei, nicht mehr am Drehort geschieht, sondern nachträglich im Studio auf einer besonderen Trickeinrichtung.

5. Glass-shot in zwei Phasen

Die Darstellung 1 zeigt die erste Phase der Kombinationsarbeit: Ausgangspunkt ist eine Szenerie im Massstab 1:1, in der die Schauspieler gefilmt werden. Die Umgebung des Platzes, die Hausfassaden über dem ersten oder zweiten Stockwerk sollen ersetzt werden durch Malerei, damit das Bild z. B. einen orientalischen Charakter erhält. Vor der Kamera (unten links) wurde in einem Rahmen eine Glasscheibe angebracht. Mit schwarzer Farbe sind jene Bildpartien auf dem Glas abgedeckt, die man in der zweiten Phase ersetzen will. Bevor die Aufnahmen beginnen, werden Kamera und Glasscheibe zugedeckt, so dass zum einen kein direktes Licht auf die Abdeckungen fällt und zum andern Reflexionen verhütet werden. Im Gegensatz zu dem ersten Glass-shot-Verfahren braucht diesmal die Glasscheibe nicht im Bereich der Schärfentiefe zu sein; es ist für die spätere Ergänzungsarbeit sogar von Vorteil, wenn die Ränder der Maskierungen etwas unscharf werden.

Alle Szenen, die auf dem Platz spielen, werden nun - mit dieser Abdeckung vor der Kamera - aufgenommen. Nach Beendigung der Dreharbeiten belichtet der Kameramann zusätzlich einige Meter Filmmaterial und schickt diesen Testfilm ins Trickstudio. Das Filmmaterial mit den Schauspielerszenen wird unentwickelt zur Seite gelegt, bis alle Vorbereitungen im Trickstudio getroffen sind, um den noch unbelichteten, oberen Ted des Bildes durch eine Zweitbelichtung zu füllen.

Die Darstellung 2 zeigt einen Künstler im Trickstudio bei der Arbeit. Mit Pastellkreiden zeichnet er die orientalische Stadt auf den Malgrund vor der Kamera. Bevor er mit seiner Zeichnung beginnen konnte, musste er wissen, wie gross die Gebäude in dem schon belichteten Bildteil sind, wie ihre Perspektive ist und wie weit sich die Maskierung ausdehnt. Um dies herauszufinden, hatte er ein kleines Filmstück aus der Testrolle entwickelt und in den Filmkanal der Kamera a) eingelegt. Eine Lampe b) projizierte über einen kleinen Spiegel hinter dem Bildfenster c) das Filmbild auf den Malgrund. Auf der Darstellung ist die Arbeit schon so weit fortgeschritten, dass man mit schwarzer Farbe die Gegenmaske zur Abdeckung am Drehort herstellen konnte. Zur Prüfung der Bildkombination wird weiteres Filmmaterial der Testrolle entnommen, in die Kamera eingelegt und belichtet. Die schwarze Farbe schützt den schon belichteten Bildteil vor einer Zweitbelichtung. Mit diesen Aufnahmen werden auch die Ausleuchtung d) und die Blendenöffnung des Kameraobjektivs - verantwortlich für die Bildhelligkeit - getestet. Dann kommt der grosse Moment: der Film mit den Schauspielerszenen wird in die Kamera eingelegt. Jetzt darf keine Lampe ausfallen. Der kleinste technische Defekt, der den Ablauf der Zweitbelichtung stört, würde unweigerlich auch die Erstbelichtung ruinieren, und man müsste wieder ganz von vorne beginnen. Dieses Risiko, dass dem kostbaren Originalfilm etwas zustossen könnte, hat dazu geführt, dass heute solche Kombinationsarbeiten in der Mehrzahl nicht mehr mit dem Originalfilm, sondern mit Kopien des Originals ausgeführt werden. Da jede Kopie eine geringfügige Reduktion der Bildqualität mit sich bringt, wird auch heute noch manchmal auf diese alte Technik zurückgegriffen.

Ungezählt sind die Filme, bei deren Produktion die hier beschriebenen und die daraus entwickelten Verfahren eine Rolle gespielt haben: das Eröffnungsbild von Casablanca aus dem gleichnamigen Film von Michael Curtiz (1941), der Turm zu Babel in der Bibelverfilmung von John Huston (1966) sind zwei Beispiele für solche Ergänzungsarbeiten durch Malerei.

6. Rückprojektion

Mit der Einführung des Tonfilms gegen Ende der zwanziger Jahre entstanden in der Filmindustrie neue Techniken der Bildkombination. Zum einen dienten sie der Rationalisierung. So wurde die Trickarbeit zum grössten Teil nicht mehr vom Kameramann am Drehort ausgeführt, weil das meistens mit zeitraubenden Unterbrechungen der Produktion verbunden war, sondern nachträglich, dank einer verfeinerten Kopiertechnik, im Labor. Zum andern entstanden neue Kombinationstechniken aufgrund der komplizierten, gleichzeitigen Aufnahme von Bild und Ton. Die Dialogszenen konnten nur in der akustisch sauberen Atmosphäre des Studios aufgenommen werden. Man suchte daher nach Möglichkeiten, die Aussenwelt auf die Tonfilmbühne zu holen. Dies gelang mit der Rückprojektion, einer Kombinationstechnik, die das Erscheinungsbild der Filme in den dreissiger und vierziger Jahren entscheidend mitgeprägt hat.

Die Darstellung zeigt in einer Übersicht die wichtigsten Elemente einer Rückprojektionsanlage. In der Mitte ist hinter einer Kulissendekoration die halbtransparente Leinwand aufgebaut, unten links der Projektor. Hier ist er in einen Raum eingeschlossen, der die Laufgeräusche auffängt. (Geräuscharme Projektoren können offen im Raum aufgestellt werden.) Es handelt sich nicht um eine normale Kinomaschine, sondern um einen besonders konstruierten Rückprojektor, der sich durch eine äusserst präzise Filmführung auszeichnet. Oben rechts ist die in ein schallschluckendes Gehäuse eingepackte Filmkamera zu sehen. Über Kabel ist sie mit dem Projektor verbunden, denn die Laufgeschwindigkeit der beiden Geräte muss synchronisiert werden. Vor der Aufnahme wird der ganze Raum abgedunkelt. Die Ausleuchtung der Szenerie und der Schauspieler vor der Leinwand hat darauf Rücksicht zu nehmen, dass kein Streulicht das Rückprojektionsbild aufhellt.

Ein Architekturdekor ist ideal als Voraussetzung für den Einsatz der Rückprojektion, denn ohne Schwierigkeiten sind klare Begrenzungslinien zwischen Kulissen und dem projizierten Hintergrundbild zu finden. Das Fenster spielt oft eine wichtige Rolle. So zum Beispiel auch in dem Alfred-Hitchcock-Film To Catch a Thief von 1955, in dem eine Unterhaltung zwischen Gary Grant und Grace Kelly im Hotelzimmer von einem Feuerwerk begleitet wird, das im Fenster hinter ihnen zu beobachten ist. Die Lichtkaskaden wiederholen sich pausenlos. Der gleichbleibende Rhythmus könnte darauf zurückzuführen sein, dass Alfred Hitchcock immer wieder das gleiche kurze Filmstück rückprojizieren liess.

7. Aufprojektion

Das jüngste der hier vorgestellten Kombinationsverfahren ist die Aufprojektion. Sie wurde etwa um 1950 in Frankreich und den USA entwickelt. Sie gehört zu den wenigen tricktechnischen Erfindungen des Nachkriegskinos.

Gegenüber der Rückprojektion weist sie ein paar entscheidende Vorteile auf, so dass sie die ältere Technik weitgehend aus den Studios verdrängt hat. Die Ausführung einer Kombinationsaufnahme erfordert den geringeren technischen Aufwand, und die Bildqualität ist weit besser als bei der Rückprojektion. Wer kennt nicht die leicht verwaschenen Hintergründe in Filmen aus den dreissiger und vierziger Jahren, bei denen man sofort die Rückprojektion vermutet? Besonders für grosse Rückpro-Bilder war eine enorme Lichtleistung erforderlich. Man behalf sich dadurch, dass man drei Projektoren auf die Leinwand richtete und so drei identische Bilder zur Steigerung der Helligkeit übereinanderlegte. Bei der Aufprojektion steht nicht die Lichtleistung des Projektors im Zentrum, sondern die Beschaffenheit der Leinwand. Eine Aufprojektionsleinwand strahlt nicht wie eine Kinoleinwand das Licht diffus in alle Richtungen ab, sondern sie reflektiert es zurück an den Punkt, wo es hergekommen ist, nämlich zum Projektor und dadurch auch zur Kamera. Kamera und Projektor bilden eine Einheit, d. h., über einen halbtransparenten Spiegel, der in einem Winkel von 45° vor dem Projektor und der Kamera steht, werden die optischen Achsen der beiden Geräte ineinandergelegt. Durch den Spiegel hindurch nimmt die Kamera das auf, was der Projektor über die Spiegeloberfläche auf die Leinwand wirft. Gegenstände vor der Leinwand werden vom Projektor angestrahlt und werfen Schlagschatten auf sie. Die Reflexionseigenschaften der Aufpro-Leinwand sind derart günstig, dass man die Lichtintensität sehr niedrig halten kann. Das Projektorlicht, das auf die Schauspieler oder das Dekor fällt, kann durch die Ausleuchtung völlig überdeckt werden und wird von der Kamera nicht aufgezeichnet. Die Schlagschatten bleiben aus der Sicht des Kameraobjektivs unsichtbar, weil die Projektion mit der Hilfe des teildurchlässigen Spiegels genau aus der Blickrichtung der Kamera erfolgt.

In dem 1968 produzierten Film 2001, A Space Odyssey von Stanley Kubrik wird die Aufprojektionstechnik mehrfach eingesetzt, z. B. bei Aussenansichten der Raumstationen und Raumschiffe. Manchmal wird hinter einem Fenster die Mannschaft in einer Kommandozentrale sichtbar. Die riesigen Science Fiction Objekte wurden als stark verkleinerte Modelle hergestellt. Die Life-Aufnahmen der Menschen projizierte man auf kleine Rückpro-Leinwände, die man in die Fensteröffnungen eingelassen hatte.

Peter Olpe
Keine Kurzbio vorhanden.
(Stand: 2020)
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