PETER SCHNEIDER

L’ALLÉGEMENT (MARCEL SCHÜPBACH)

SELECTION CINEMA

L’allégement ist eine gelungene und spannende Erzählung, ein Film, der aus seiner Geschichte nicht ein diffuses Geheimnis macht, sondern offen seine Absichten dem Zuschauer entgegenwirft. Die Spannung ist nicht diejenige des unmotivierten Ueberraschungseffekts, sondern jene des “suspense”, die den Zuschauer an der Geschichte beteiligt, indem sie ihm Vorgaben gibt, die ihn über die Figuren im Film mehr wissen lassen, als diese von sich selbst.

Ein Dritter, Unbekannter, redet in L’allégement ausdrücklich mit, er ist das Bindeglied zwischen dem Zuschauer und der Hauptfigur: Die unkontrollierbar selbsttätige, selbstwünschende Leidenschaft. Marcel Schüpbach macht den Betrachter mit sinnlichen Bildern und dem gezielten Einsatz von mächtig affektierender Musik zum Miterlebenden.

Die Einstimmung wäre bloss dumpf symbolhaft, wenn sie nicht bereits Erzählteil wäre: Eine weissgekleidete Frau hetzt zu dramatischer Musik durch den Wald. Die junge Rose Hélène hat die Augen ihrer Urgrossmutter Flore, sie spürt deren Blut in ihren Venen: Flore suchte ewige Vereinigung mit ihrem Geliebten im Tode. Damit ist schon offen dargelegt, worauf die romantische, leidenschaftliche Erzählung hinauslaufen wird.

Rose Helene wandelt unter dem Dämon eines über sie verfügenden Schicksals: Gebannt schaut man der Erfüllung der Prophezeiung zu. Rose Hélène liebt den Trödler Diego wild und begehrend, durch den Wald reitet sie zu ihm, sinnlich schon versunken im Hals des Pferdes. Eines Tages taucht der strahlende, fremde Reiter Valentin auf: Ein verheissungsvolles und heischen des Bild der Vollkommenheit. Valentin er scheint Rose-Hélène m Gesichtern, sein Bild verfolgt und begehrt sie: “Es brennt ein Feuer in mir, das ich selber nicht kenne.” Wie und wo die junge Frau das Ideal suchen gehen muss, dessen erhoffte Existenz jeden Blick und jede Geste, jedes Bild und alles erotisiert, das ist L’allégement.

Furchtlos hat Marcel Schüpbach zu einer Geschichte der mächtigen Gefühle gegriffen und sie in agitierende Bilder voller Sehnsucht und Passion gesetzt. Die traditionellen Metaphern von Kraft und Leidenschaft sind bei Schüpbach nicht zitierte schwerwiegende Dokumente, sondern un mittelbar affektauslösende, artikulierende Erzählträger.

Peter Schneider
Keine Kurzbio vorhanden.
(Stand: 2020)
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