PETER SCHNEIDER

DIE LIEBE AM SANKT GOTTHARD (SILVIA-GEMEINSCHAFTSPRODUKTION)

SELECTION CINEMA

Der Videofilm ist eine Parodie auf die Heimatschnulze, welche vom Film kaum mehr, von der Trivialliteratur in Form des Groschenheftes und des gebundenen Heimatromans aber nach wie vor ausgiebig gepflegt wird. Er nimmt die Stereotypien des Genres auf, erzählt von unglücklicher Leidenschaft, Heimweh, Schuld und unseliger, stets auf dem Gewissen lastender Vergangenheit. Das Personal, das solcherart mit dem Schicksal ringt, ist modernisiert. Neben dem alternativen Lehrer, der Rossbollen sammelt und der Angebeteten eine biologische Rose überreicht, ist es vor allem ein fetter, von einer turtelnden Jüngerin umgebener Guru, der das Drama auf den Stand der Aktualität bringt. Dass über den Bildschirm im Gasthof Edelweiss eine königliche Traumhochzeit flimmert, dass daselbst bei einer Diaschau von Baupolitik die Rede ist, und dass schliesslich das Herz nicht in einen Arvenstamm geritzt, sondern mit Kreide auf den Asphalt der Gotthardautobahn gekrümelt wird, sind weitere Gegenwartsbezüge, mit welchen das Genre aktualisiert, und damit gleich auf die Schippe genommen wird. Die Liebe am Sankt Gotthard ist eine einfache und anspruchslose Videoproduktion, ein billiges Stück cinéma copain, gemacht aus der gemeinsamen Freude am Kitsch.

Peter Schneider
Keine Kurzbio vorhanden.
(Stand: 2020)
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