MARTIN SCHAUB

SCHLANGENZAUBER (ISA HESSE)

SELECTION CINEMA

Wahrscheinlich wird man dem ersten Dokumentarfilm der verspielten, jungianisch beseelten Filmerin Isa Hesse am besten gerecht, wenn man über ihn redet, wie sie selber es tut: „Dieses Filmdokument ist wie das Leben: schicksalhaft offen, ohne endgültige Lösungen, alles fliesst und schliesst sich in Kreisläufen. Sinnbild ist das Schlangensymbol.“ Doch die Selbstäusserung der Autorin ist eben auch eine euphemistische Umschreibung ihrer Unfähigkeit, systematisch vorzugehen, obwohl sie sich’s offenbar dieses Mal vorgenommen hat.

Eine der Darstellerinnen des vorangegangenen Films, Sirenen Eiland, ist unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Nun macht sich die Filmemacherin auf den Weg, um Licht ins Dunkel dieser Affäre zu bringen. Man sieht sie als Reporterin unterwegs: am Tatort, bei der Mutter der Verstorbenen, in stickigen Gerichtshäusern und Polizeirevieren. Man spürt, wie unwohl ihr in der Rolle ist, und wird Zeuge, wie sie jede Gelegenheit ergreift, ihrem ursprünglichen Vorsatz untreu zu werden. Sie überlässt der Mutter der erschossenen Artistin den Film, sie zieht eine junge Frau zu, die mit der Sache nicht viel zu schaffen hat, sie verwirrt, was sie mühsam entwirrt hat. Und sie scheint froh zu sein, dass sie ein grosses Schlangen- und Lebensfest in Bruno Webers „Paradiesgarten“ vor den Toren Zürichs bei Wein und Früchten, mit Lampions und Budenzauber inszenieren darf.

Das Fest, aufgenommen mit verschiedenen Kameras, ist der Höhepunkt von Isa Hesses naivem Traumkino. Er wäre noch glanzvoller, wenn die Autorin im Kommentar nicht noch versuchte, alles unter einen Hut zu bringen. Es geht nämlich nicht unter einen Hut. Schlangenzauber ist ein Beispiel von so seltenem spontanem Kino; der Zu- und Einfall regiert.

Martin Schaub
Keine Kurzbio vorhanden.
(Stand: 2020)
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