NIKLAUS OBERHOLZER

PORTRAITS – 10 ARTISTES SUISSES AUJOURD’HUI (LUCIANO RIGOLINI)

SELECTION CINEMA

Martin Disler, Anna Winteler, Hannah Villiger, Josef Felix Müller, Peter Fischli und David Weiss, Miriam Cahn, Adriana Beretta, Helmut Federle und John Armleder stellt Luciano Rigo- lini in seinem Film Portraits von knapp 60minü- tiger Dauer vor. Die Auswahl dieser Künstler, die fast ausnahmslos zu den bekannteren Vertretern der jüngeren Schweizer Kunst gehören, stammt von Rigolini, der auch die Kamera führte und der sich entschloss, für jeden der Künstler einen eigenen filmischen Zugang zum Werk zu suchen.

In der knappen Zeit, die Rigolini zur Verfügung stand, war es dem Autor natürlich nicht möglich, die Künstler und ihre Arbeiten so vorzustellen, dass sich ein umfassendes Bild auch für jenen Zuschauer ergibt, der die Werke nicht bereits kennt. Der Film ist denn auch viel eher eine Ergänzung zu einer Ausstellung und Aufschluss über einen möglichen, allerdings persönlich geprägten, Zugang zu den Werken. Das ergibt auch unterschiedliche Qualitäten der einzelnen Porträts, was ihren Informationsgehalt betrifft, und natürlich auch unterschiedliche Attitüden: Während Rigolini bei einzelnen Künstlern eher aufgeblasene, an Phrasen erinnernde Statements abholt (bei Federle zum Beispiel), liefert Armleder eine ironisch verfremdete Selbstdarstellung. Bei Hannah Villiger oder Anna Winteler werden die Porträts zu stillen, subtilen, aber aus sich heraus nur schwer verständlichen Paraphrasen der Kunst dieser Frauen. Felix Müller setzt in seinem Statement zu einer deutlichen Entschlüsselung seiner Skulpturen an, die Rigolinis Kamera in allzu raschen Positionswechseln und Schnitten zu umreissen sucht. Und bei Adriana Beretta beschränkt sich Rigolini praktisch auf ein Abtasten der ruhigen Malereien mit der Kamera. Martin Dislers Malereien werden kaum in ihrer ganzen Grösse gezeigt, sondern vielmehr in heftigem Rhythmus zerstückelt dargeboten. Fischli/ Weiss schliesslich gestalten ihr Porträt zu einer amüsanten Performance, die durchsetzt ist mit Ausschnitten aus zweien ihrer Filme.

Rigolinis Film ist ein behutsames, sorgfältiges und klug durchdachtes Durchexerzieren verschiedener Zugangsmöglichkeiten zu Künstlern und ihren Werken. Er weist damit auf verschiedene Betrachterhaltungen hin. In seiner ganzen Länge ergeben sich durch eine allzu aufdringlich eingesetzte formale Strukturierung mit Numerierungen einige Eintönigkeiten, obwohl der Autor im ganzen Ablauf auf ein in den einzelnen künstlerischen Haltungen begründetes Konzept geachtet hat. Es ist durchaus denkbar, dass die Porträts auch einzeln oder in kleineren Gruppen vorgeführt würden.

Niklaus Oberholzer
*1940, studierte Kunst- und deutsche Literaturgeschichte. 1974 wurde er Leiter des Kulturressorts des Vaterland, der Luzerner Zeitung und der Neuen Luzerner Zeitung. Er war Mitglied des Stiftungsrates von Pro Helvetia. Für seine Arbeit als Kunstvermittler wurde Oberholzer 1996 mit dem Anerkennungspreis des Eidgenössischen Departements des Inneren ausgezeichnet. Als freier Publizist schreibt er für Medien und Verlage.
(Stand: 2019)
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