PAULE PAULÄNDER

POUR ÉCRIRE UN MOT (WALTER MARTI, RENI MERTENS)

SELECTION CINEMA

Wenn ein Film über Burkina Faso angekündigt ist, dann schlägt einem schon das Herz ein wenig höher. Es geht also um ein Land, von dem wir viel Gutes gehört haben, in den letzten Jahren, mit Ausnahme der Vorgänge um den Sturz von Staatschef Thomas Sankara. Das letzte Land wohl (nach Grenada), das die halt doch romantischen Vorstellungen einer Volksbefreiung erfüllen kann. Unsere Ideen von Gleichberechtigung und Selbstversorgung, vom Zusammengehen von Stadt und Land werden nicht von Berichten über Korruption und Gewaltherrschaft, über Machismus und IWF-Intervention getrübt. Und ist Ouagadougou nicht die Stadt, in der das afrikanische Kulturschaffen, nach dem uns Europäer so dürstet, blüht? Die Stadt mit dem afrikanischen Filmfestival, wo eine eigenständige afrikanische Filmproduktion am Entstehen ist? All das steht in Pour écrire un mot nicht im Mittelpunkt.

Pour écrire un mot ist ein klassisch gemachter Dokumentarfilm. Ein wenig distanziert aber sorgfältig und einfühlsam gefilmt, mit wunderschönen Bildern in einem ruhigen und warmen Rhythmus. Gezeigt wird ein abgelegenes Dorf in den Bergen, in dem die traditionelle afrikanische Subsistenzwirtschaft noch annähernd intakt ist. Die einzigen Zeichen moderner Zivilisation sind Emailwasserbecken und einmal eine winzige Wandzeichnung von einem Lastwagen. Und natürlich unsere Augen, die Kamera, hinter der die Weissen stehen. Ein junger Lehrer kommt aus der Stadt in das Dorf, um die Menschen an der Alphabetisierungskampagne teilnehmen zu lassen. Äusser sich selbst bringt er nichts mit, keine Wandtafel, kein Papier und Bleistift, keine Bücher. Lesen und Schreiben lernen soll ein Spiel werden.

Ein mit der Hand gesäubertes Stück Erde und ein Holzstab genügen, um Zeichen zu setzen, Worte zu schreiben, die wieder verwischt werden. Alle, die wollen, dürfen die Worte schreiben lernen, die zu ihnen passen oder die sie besonders interessieren.

Der Lehrer hängt viel rum und wartet. Dann besucht er die Menschen in ihren Häusern und bei der Arbeit. Die Kamera begleitet ihn. So lernen wir einmal mehr das afrikanische Dorf kennen.

Wasser und Holz auf dem Kopf tragen, ist Frauenarbeit und eine Kunstfertigkeit, die an Geschicklichkeit einiges mehr verlangt, als das Schreiben. Die Kinder lernen allesamt mit nicht zu überbietender Begeisterung und Intensität zu tanzen und Musik zu machen. Das Handwerk der Schmiede ist Männersache, Keramikhandwerk eine Kunst der Frauen.

Einem alten Trottel, der etwas von Kriegskunst faselt und dazu mit Pfeil und Bogen in seiner Hütte herumhüpft, ist nicht zu trauen. Später werden wir Zeugen einer wunderschönen poetischen Liebesgeschichte.

Nach dem Film das alte Dilemma: Ein schöner Film. Afrika ist faszinierend, es gibt immer wieder Neues zu entdecken. Wo Menschen im Mittelpunkt stehen, können wir uns nicht entziehen. Aber irgendwie komme ich mir in Afrika so überflüssig vor.

Paule Pauländer
ist Dokumentarist, Musiker und Kinogänger in Zürich. Ehemaliger Mitherausgeber des CINEMA.
(Stand: 2019)
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