CAROLA FISCHER

MARTIN DISLER - BILDER VOM MALER (URS EGGER, SAMIR)

SELECTION CINEMA

Künstler aller Couleur standen in diesem Jahr im Visier der Schweizer Dokumentarfilmer. Eine Video-Collage nennen Urs Egger und Samir ihr Porträt über den Schweizer Künstler Martin Disler, der mit seinen Arbeiten weit über die Schweizer Grenzen hinaus Ruhm und Anerkennung gefunden hat. Tatsächlich kommt der Film technisch perfekt daher, die Macher beherrschen ihr Metier. Was die Videokamera herzugeben vermag, wird souverän eingesetzt. Da ist die Kamera, die erstaunlich schöne Bilder liefert, da wird mit dem Schnitt, mit Überblendungen gearbeitet und in den Inserts ist der „Samir-Morlove-Effekt“ unübersehbar. So professionell und abwechslungsreich dieser Videofilm auch gestaltet ist, so wenig kommt er inhaltlich über die gängige Struktur von Schweizer Dokumentarfilmen hinaus. So innovativ wie der Film auf den ersten Blick wirkt, ist er gar nicht. Hinter dem bunten Gewand verbirgt sich letztlich ein ganz traditionelles Künstlerporträt. Auch hier die Abfolge: Interview (immer an einem für den Künstler typischen Ort gefilmt, im Atelier oder in einem Ausstellungsraum oder vor einem seiner Bilder) - Blick auf sein Werk - Interview - Bilder usw. Die Annäherung an den Künstler erfolgt in erster Linie durch das Gespräch. Die Filmer besuchten Disler in Mailand und folgten ihm nach Zürich, Amsterdam und Wien. Vor diesem wechselnden Hintergrund erzählt der Künstler aus seinem Leben, erläutert seine künstlerische Konzeption. Disler ist eine faszinierende, eigenwillige Persönlichkeit, auch im Gespräch. Seine archaische, fast religiöse Auffassung von Kunst ist überraschend. Seme Bilder und Skulpturen sind beeindruckend genug. Wenn er zeigt, wie seine Schaffenskraft auch durch einen Gips an der rechten Hand nicht gebremst werden kann, wie er seine Kopf-Bilder mit der linken Hand malt, sprengt das den formalen Rahmen. Das ist so dicht, dass die Sprache der Kamera verblasst. In diesem Sinn bleiben für mich die technischen Raffinessen nur Beiwerk, sie sind eine Verpackung. Die bildliche Umsetzung erschliesst keine neue inhaltliche Dimension des künstlerischen Werks. Es sind die Erläuterungen des Künstlers selbst, die den Zuschauer zur Interpretation seiner Bilder und Skulpturen anregen. Die filmische Umsetzung durch die Autoren bleibt eine ausserliche. Sie ist eine zeitgemässe, den Sehgewohnheiten Videoclip-verwöhnter Fernsehzuschauer angepasste, moderne Variante des Porträtfilms, kurzweilig und unterhaltend.

Carola Fischer
geb. 1949, cinephile Germanistin, arbeitet in der Dokumentation „Wort“ des Schweizer Fernsehens DRS.
(Stand: 2019)
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