CAROLA FISCHER

PIANO PANIER (PATRICIA PLATTNER)

SELECTION CINEMA

Marie hockt in ihrer Wohnung, hat das heulende Elend; Liebeskummer halt. Trost ist bitter nötig, die telefonisch herbeigerufene Freundin Filippa, genannt Pipa, ist sofort zur Stelle. Heilmittel gegen Seelenschmerz ist für sie, die Portugiesin, ein Glas Porto. Sie schlägt ihrer Freundin zudem vor, mit ihr zusammen nach Portugal zu reisen. Sie will dort ihre Familie besuchen. — Der Empfang ist herzlich, die Familie gross. Zu gross für Marie, das Einzelkind, die bald einmal genug von dem südlichen Familientisch und Filippas galanten Vettern hat. Zudem rückt die Freundin jetzt noch mit ihrem Geheimnis heraus: Sie ist hierhergekommen, um zu heiraten. Nicht gerade eine erhebende Nachricht für Marie, die soeben die Beziehung zu ihrem verheirateten Liebhaber abgebrochen hat.

Die beiden fahren ans Meer, hier besitzt Pipas Familie ein einfaches Haus, in dem sie die Tage bis zur Hochzeit verbringen können. Ferien wie im Film: Lesen und plaudern im grossen Bett, essen und Wein trinken, das Meer und die Sonne geniessen. Marie frönt ihren Hobbies, dem Klavierspiel, dem Tai Chi, dem Erlernen von Fremdsprachen (Thailändisch); Pipa kocht. Freilich ist die Idylle nicht ungetrübt, allzu verschieden sind die beiden, obwohl Freundinnen von Kindesbeinen an. Marie als verwöhntes Kind wohlhabender Eltern kann es sich leisten, ihre spontanen Bedürfnisse auszuleben und den Einstieg ins Berufsleben hinauszuzögern. Pipa, obwohl in Genf aufgewachsen, ist mit den kulturellen Traditionen ihres Heimatlandes doch verwachsen, sie steht mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität, ihre Zukunft als Ehefrau und Mutter scheint für sie unbestritten. Die Spannungen entladen sich in alltäglichen Konflikten: Klar, dass es Marie auf den Geist geht, wenn die verliebte Pipa von ihrem Verlobten schwärmt. Natürlich hat Pipa recht, wenn sie der Freundin vorwirft, egoistisch und unsensibel zu sein, wenn sie in Portugal Thailändisch lernt, sich aber nicht bemüht, die Leute im Dorf auf Portugiesisch zu grüssen. Natürlich ist die eine nicht einfach so und die andere anders. Lebt auch in Marie der Hang zur Zweisamkeit, hat auch Filippa einen geheimen Traum, nämlich Schauspielerin zu werden.

Patricia Plattner hat nicht grosses Kino über Identitätskrisen und Ichfindung machen wollen. Stattdessen serviert sie einen lockeren, unprätentiösen Film über Frauen, Ferien und Freundschaft. Da werden nicht hohe Gefühle ausgelotet, sondern alltägliche Konflikte beobachtet und mit Ironie dargestellt. Vor allem gelingt es ihr, mit ihren beiden gut ausgewählten Darstellerinnen, eine Stimmung zu erzeugen, die glaubwürdig ist. Die Gefühle, die die beiden füreinander haben, kommen von der Leinwand „rüber“. Sie hat einen lockeren Inszenierungsstil, ein Gespür für Atmosphäre, einen guten Blick für Menschen, Sinn für Humor. Qualitäten, die einen über gewisse Drehbuchfehler, Längen und Wiederholungen hinwegsehen lassen. Und wenn Marie am Schluss des Films ihre Abneigung gegen Familienfeiern überwindet und unerwartet auf der Hochzeit der Freundin auftaucht, dann freut man sich einfach mit.

Carola Fischer
geb. 1949, cinephile Germanistin, arbeitet in der Dokumentation „Wort“ des Schweizer Fernsehens DRS.
(Stand: 2019)
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