HEINI ALPER

MICHEL MARLETAZ, BOISSELIER (JACQUELINE VEUVE)

SELECTION CINEMA

Wer mit dem Zug von Aigle nach Les Diablerets fährt, kommt bei Les Echenards vorbei, einem Weiler mit sieben Einwohnern. Einer von ihnen ist Michel Marletaz, der wegen eines Unfalls seinen Beruf wechseln musste und sich zum Weissküfer ausbilden liess. Die Weissküferei war ursprünglich eine traditionelle Winterbeschäftigung der Bergbauern in dieser Gegend der Waadt. Heute fertigt Marletaz als einziger noch die grossen Butterfässer für die Alpwirtschaft. Im Film erleben wir die Herstellung eines solchen Butterfasses mit, vom Schlagen der geeigneten Hölzer wie Ulme, Weisstanne, Kirsche, bis zur Ablieferung des fertigen Fasses an den künftigen Besitzer auf der Alp.

Für eine kurze halbe Stunde teilen wir Marletaz’ winterlich-zurückgezogenen Alltag, den er - als Witwer - mit einem ebenfalls schon älteren Helfer teilt. Das ruhige Fortschreiten der Arbeit am Fass, mit schönen Detaileinstellungen von handwerklichen Vorgängen, und - im Off-Ton - Marletaz’ eigene, durch sein lebendiges, beinahe musikalisches Idiom getragene Schilderung seiner Arbeit und seiner Lebensumstände bestimmen den Rhythmus des Films.

Dieser bringt uns so in durchaus konventioneller Gestaltung, aber in sehr schön fotografierten, gleichzeitig alltäglichen Bildern einen Menschen näher, der eins ist mit seiner Arbeit. Erfreulicherweise kommt dabei keinen Augenblick rustikale Romantik oder Nostalgie ins Spiel. Vielmehr wird Marlétaz’ Alltag wirklich als zwar „ganz andere“, aber mögliche Lebensform nachvollziehbar.

Heini Alper
geb. 1946, Mitglied der S-8 Gruppe Zürich und Mitarbeiter verschiedener Filmprojekte, arbeitet in der Dokumentation „Wort“ des Schweizer Fernsehens DRS.
(Stand: 2019)
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