LORENZO HELBLING

ALOIS CAMENZIND-KLAUENSCHNEIDER (BERNHARD WEBER)

SELECTION CINEMA

Alois Camenzind, der Klauenschneider, „isch eine, wo nid cha nai säge“, sagt seine Frau am Schluss des Films. So wurde er Aktuar des Schweizerischen Klauenschneiderverbandes, und so war er auch bereit, bei einem Film über seinen Beruf und seine Person mitzuwirken. Und so hat ihn diese Eigenschaft für einmal aus der Unscheinbarkeit treten lassen, was uns einen Einblick ermöglicht in ein Leben in der Nähe der kleinen Landstrassen, wo (explizite) Ambitionen, Lebenskonzepte und grosse Worte fern sind, das Leben in Jahrzehnteschritten abläuft. Der Film begleitet Camenzind in seinem Alltag, tut dies unaufdringlich, ohne etwas beweisen zu wollen, ist tastend auf der Suche nach einem Leben. Man sieht Camenzind, wie er zu den Bauern fährt, dort dem Rindvieh, dieser vorläufig noch immer störrischen und scheissenden Lebendmasse, die im Stall zu lang gewachsenen Klauen kürzt und dabei mit den Bauern die letzten Neuigkeiten austauscht. Familientisch, Kaffee, Kitsch und Radio gehören ebenso zu diesem in konstatierendem Schwarzweiss gefilmten Teil helvetischer Wirklichkeit.

Lorenzo Helbling
geb. 1958, studierte Geschichte und Sinologie in Zürich und Shanghai, Lizenziat über den Film in China, lebt in Zürich.
(Stand: 2019)
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