CATHERINE SILBERSCHMIDT

POR CENTESIMA VEZ (KRISTINA KONRAD)

SELECTION CINEMA

Ramona ist 41, hat zehn Kinder von zwei Männern - das notwendige Gutachten, um sich sterilisieren zu lassen, hat sie von der zuständigen Sozialarbeiterin nicht erhalten — und wohnt am Rande von Montevideo, dort, wo die Straßen nicht mehr asphaltiert werden, in einer elenden Baracke. Da ihr Mann als Taglöhner und Alkoholiker kaum zum Überleben der Familie beitragen kann, arbeitet Ramona als Putzfrau in der Stadt. „Ich hoffe immer noch, zum hundertsten Mal, daß mein Leben besser wird“, sagt sie ebenso melancholisch wie selbstbewußt. Por centesima vez dokumentiert die Existenzbedingungen von fünf Frauen aus dem Armenviertel von Montevideo. Während zwei Jahren haben die beiden Videomacherinnen die Frauen besucht und gefilmt. Entstanden ist ein erschütterndes Dokument über den Umgang mit Armut, Gewalt — sämtliche Frauen werden von ihren Ehemännern geschlagen - und Elend. Nicht alle Frauen reagieren depressiv auf ihre ausweglose Situation: Ramona schreibt Gedichte und genießt ihren Mann im Bett. Dennoch ist sie durchaus nicht bereit, sein Machoverhalten einfach hinzunehmen. Ihre Überlebenskraft scheint ungebrochen, wie auch jene von Marie und Mabel, obwohl sie am Rande einer Depression dahinvegetieren, das Pflichtgefühl gegenüber ihren Kindern läßt sie keine Alternative sehen. Zudem verzeihen sie ihren Männern - von denen sie ökonomisch abhängig sind - vieles und rechtfertigen gar deren gewalttätiges Verhalten: „Ein Mann kann sich nicht beherrschen, ein Mann ist ein Tier“, so Marie. „Eine Frau, die Frau ist, ist anständig“, ergänzt sie.

Por centesima vez vermittelt Eindrücke aus einer anderen Welt, Bilder über Elend, Glück und Traurigkeit. Der ruhige Rhythmus der Montage und die langen Einstellungen lassen Zeit, sich auf die fremden exotischen Lebensumstände einzulassen.

Catherine Silberschmidt
ist freie Journalistin in Zürich.
(Stand: 2019)
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