BRIGITTE BLÖCHLINGER

HOFFEN AUF BESSERE ZEITEN (JONAS RAEBER)

SELECTION CINEMA

Fabrikschlote stoßen rhythmisch zu kontinuierlich schneller werdender Musik Rauch aus, ein Unternehmer mit einschlägigen Attributen wie dicker Bauch, Brille, Krawatte, Hosenträger, betrachtet dies mit sichtlicher Genugtuung. Überraschend jedoch beginnt die Produktion zu erlahmen. Zusammen mit einem verschüchterten Angestellten schreitet der Boß durch die gigantische Anlage und läßt sich instruieren: Es hapert an der Wasserkraft. Ein Plan ist schnell entworfen, der Unternehmer schreitet zum Telefon und kontaktiert einen Militärchef.

Als Warenmuster deklarierte Bomben verlassen die Fabrik, werden mit Flugzeugen Richtung Militärchef geflogen. Doch der militärische Gegner schläft nicht: Als er die Flugzeuge erspäht, reagiert er prompt, drückt den sagenumworbenen Knopf - und schon ist Krieg. Die Bomben fliegen hin und her, zerstören Häuser und töten Unbeteiligte. Unterdessen schauen der Industrielle und sein Gehilfe gespannt in eine gigantische Röhre. Da erscheint sie auch schon, die Welle von Blut, die die fehlende Wasserkraft ersetzt und die Produktion wieder antreibt.

Als der Industrieboß die sinkende Bilanzkurve wieder nach oben verlaufend malt, ist die Farbe Blut, das nach unten fließt und die Zacken der Kurve ausmalt, so daß sie an die Silhouette einer Bergkette erinnern. Ein Schweizer Kreuz bleibt vom flächendeckenden Blut ausgespart. Schrifttafeln klären auf: „Schweizer Waffen“, „Ein todsicheres Geschäft“, „Weltweit“. Dazu ertönen die Verse der Nationalhymne: „Wenn der Alpenfirn sich rötet ... sich rötet, sich rötet“, echot es. Aus dem Kreuz werden ein, zwei, viele Grabkreuze, verteilt über die ganze Erdkugel, die der Industrielle jetzt vor seinem Bauch aufgestellt hat, während er zufrieden auf seine rauchenden Schlote schaut.

Hoffen auf bessere Zeiten, der zweite Trickfilm des 1968 geborenen Comiczeichners und Zeichentrickfilmers Jonas Raeber, stellt einen direkten Zusammenhang zwischen skrupellosen und berechnenden Waffenherstellern und den Kriegsschauplätzen der Welt her. Der Schluß des ansonsten zeitlos gehaltenen Films verweist auf aktuelles Geschehen: „23. Oktober 1991: In Paris wird das Friedensabkommen für Kambodscha unterzeichnet. Serbien ruft die Generalmobilmachung aus. In der Schweiz titelt eine Tageszeitung in Zusammenhang mit der Redimensionierung der Armee: Munitionsfabrik ist optimistisch und hofft auf bessere Zeiten4.“

Im großen und ganzen wirkt der Trickfilm eher agitatorisch denn informativ, und zwar insofern, als vor allem die gigantischen Ausmaße der Industrieanlage und die Bösartigkeit der Herrschenden plastisch vor Augen geführt werden und eine Differenzierung von Kriegsursachen und Hintergründe weggelassen wird. Der gradlinige Zeichenstrich und die auf Schwarz, Weiß und Rot reduzierte Farbgebung unterstreichen diese Plakativität noch - eine Plakativität, die wohlgemerkt beim Publikum gut angekommen ist. Der Film vereinfacht, aber er abstrahiert zu wenig, was nach meinem Gusto nötig gewesen wäre, um ein derart komplexes Thema in elf Minuten abzuhandeln.

Brigitte Blöchlinger
geb. 1962, lic. phil. I, mehrere Jahre Filmkritikerin, zur Zeit Redaktorin bei der WochenZeitung in Zürich, Mitherausgeberin und -autorin des ersten Lexikons über Schweizer Filme- und Videomacherinnen.
(Stand: 2019)
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