Philippe, Iris, Alexander und Sylvie sind jung, schön und HIV-positiv.
Daniel Schweizers Vivre avec ist ein wichtiger Film, weil er vier starke Menschen, „Betroffene“ zeigt, die bereit waren, sich aus der Anonymität herauszuwagen und den Zahlen HIV-positiver und aidskranker Menschen Gesichter zu geben. Den Porträtierten können wir die Krankheit nicht ansehen, was sozusagen Programm des Films ist, denn es geht nicht zuletzt darum, gegen voreilige Paranoia anzugehen, den HlV-Virus von der Krankheit zu trennen und diejenigen zu zeigen, die, wie Iris sagt, „nicht aussehen wie Monster, oder sehe ich so aus?“. Sylvie, ihren Mann und ihre Kinder sehen wir bei Ausflügen ins Grüne, wie eine Familie aus der Margarine-Werbung, glücklich in einer heilen Welt. Dabei bezieht sich Schweizer auf unsere Vorstellungen von sichtbarer Intaktheit, allerdings zuweilen ein bißchen zu kitschig und glatt.
Der Film verschweigt die Krankheit aber nicht: Philippe und Sylvie sind auf dem Weg zum Spital, bei der Blutentnahme (der Nadelstich in Philippes Arm mitten ins tätowierte Auge) und im Gespräch mit dem behandelnden Arzt zu sehen. In den Interviewsequenzen sprechen sie alle vom Virus, mit dem es sich zu arrangieren gilt, ohne sich ihm auszuliefern. Alexander z.B. hat einen Vertrag mit dem Virus abgeschlossen - um so lange wie möglich mit ihm in Frieden leben zu können.
Vivre avec ist ein konventionell gestalteter Dokumentarfilm, perfekt gefilmt und verständlich strukturiert. Der Film versucht einen zweifachen Zweck zu erfüllen: Mit ihrer direkten Art helfen die porträtierten Personen, daß der eine oder die andere Betroffene das Schweigen auch bricht und sich vielleicht, wie die vier im Film, an einem Projekt beteiligt. Sei dies bei der Aidshilfe, bei Dialogai, beim Name’s Project, oder wie Iris bei einer Lokalradiosendung zum Themenkreis HIV. Gleichzeitig ist der Film ein Beitrag im „Kampf gegen die sozialen Konsequenzen von Aids“, so Philippe im Film. In diesem Sinne arbeitet Vivre avec gegen die soziale Ausgrenzung und Marginalisierung von HIV-positiven und aidskranken Menschen