ULRICH WENDT

PICTURE OF LIGHT (PETER METTLER)

SELECTION CINEMA

Peter Mettler stellt in seinem Film dem Nordlicht nach. Tausende von Kilometern nordwärts durch Kanada geht die Zugreise Mettlers und seines Teams bis an den Rand der zivilisierten Welt, nach Churchill, Manitoba. Hier enden die Straßen, und die Häuser liegen im Schnee, in der Dunkelheit. Mit Hilfe von hochempfindlichem Filmmaterial und computergesteuerten Kameras gelingt es Mettler, das Nordlicht zu filmen.

Wie Dani Levy in Ohne mich mißtraut Mettler den Medien einerseits und spielt andererseits mit deren Möglichkeiten. Er kritisiert, daß Filme immer mehr zum Ersatz für die wirkliche Erfahrung werden. Gleichzeitig bemüht er sich aber, in seinem Film etwas von dem Erleben des Polarlichts und des Ortes zu transportieren. Ja, er versucht, in einem Akt von „Cinemagic“ das Nordlicht im Film neu zu erschaffen: Das Flirren am Himmel nimmt durch die Zeitraffung Gestalt an und beginnt zu tanzen. Um dem Publikum den filmischen Trick zu verdeutlichen, werden Wolken und Autos gezeigt, die durchs Bild huschen.

Picture of Light ist selbstreflexiv angelegt. Kamera- und Tonmann sind oft im Bild zu sehen. Im Kommentar reflektiert Mettler über das frühe Erleben von Film - als die Zuschauer vor dem einfahrenden Zug in Lumières L'arrivée d’un train zurückschreckten. „Friert ihr schon?“ fragt Mettler gleich darauf in einer langen Einstellung der Eiswüste. Er hat sich mit seinem Film auf die Suche nach einem Kino begeben, das die Erfahrung erweitern soll.

ln seinem humorvollen Kommentar, der das Publikum vertraulich miteinbezieht, geht Peter Mettler immer wieder auf das Verhältnis von Mensch und Fortschritt ein: Bevor die Wissenschaft die Polarlichter erklären konnte, seien sie Auslöser für die Imagination gewesen. Er konfrontiert einen wissenschaftlichen Fernsehvortrag über die Polarlichter mit den Vorstellungen der Inuit, die sie als Prophezeiungen und Visionen ansahen. Aufnahmen aus dem Spacelab ironisiert er durch Bilder vom „Cockpit“ eines Zuges, der immer mehr beschleunigt wird - bis er die Erdatmosphäre durchdringt und unter dem „Raumschiffzug“ der Erdball erscheint.

Picture of Light ist Kältephantasie und Essayfilm, Reisetagebuch und Reflexion über das Schauen in einem. Der Kommentar nimmt manchmal den Ton und den Rhythmus eines Gedichts an. Leider verliert der Film nach und nach etwas von seiner Konzentration: So faszinierend die Aufnahmen vom Nordlicht auch sind - gegen Ende würde der Film einige Kürzungen vertragen.

Ulrich Wendt
geb. 1962, lebt in Hamburg als freier Schriftsteller, Musiker und Filmemacher.
(Stand: 2019)
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