DORIS SENN

AUSGERECHNET ZOÉ (MARKUS IMBODEN)

SELECTION CINEMA

Zoé (Nicolette Krebitz) ist jung, schön, intelligent, liebt und wird geliebt. Um so unvermittelter platzt der Arztbefund: „Schwangerschaftstest negativ - Aidstest positiv“ in ihr Leben. Markus Imboden läßt daraus weder eine rührselige Story noch eine moralinsaure Besserwissergeschichte entstehen: Zoe Lang muß sich mit dem Befund und der Begrenztheit ihres Lebens auseinandersetzen. Sie tut es, indem sie sich vorerst zurückzieht und ihre Freundin Pat (Caroline Redl) im Glauben läßt, sie sei schwanger. Als diese und Zoes Freund Mike (Henry Arnold) schließlich die Wahrheit erfahren, reagieren beide so, wie frau sich das eigentlich nur wünschen könnte. Und trotzdem, es ist ihr nicht genug: Geliebt werden will sie, ohne Mitleid. Begehrt werden, „ficken“, leben will sie. So holt Zoé aus zu überdrehten Sexgeschichten (und entlarvt dabei Mal auf Mal die Verantwortungslosigkeit der Männer im Umgang mit dem „Gummi“) auf der Suche nach einem Limit-dem eigenen und dem ihrer Freund- und Liebschaften.

Die unheilvolle Verknüpfung von Sexualität und Tod, die Aids in den achtziger Jahren wieder etabliert hat, löst ihre eigene Dynamik in der Suche nach Sinn und Unsinn des Lebens aus. Ausgerechnet Zoé macht diese nachvollziehbar. Die Perspektive wird erweitert, als Pat bei einem Autounfall ums Leben kommt und die Abgrenzung von Kinozuschauerlnnen gegenüber dem Tod als voraussehbare Konsequenz der Krankheit nicht mehr spielt. Die Relativität jeder Lebensdauer wird deutlich. So stellt auch das Punktespiel zwischen Zoé und Pats Freund Martin (André Jung) - wer mehr unglückliche Vorkommnisse im eigenen Leben vorweisen kann, kriegt mehr Punkte — in sarkastischer Weise die Selbstverständlichkeit des Anrechts auf Lebensglück in Frage: Ihnen (und uns) bleibt nichts anderes übrig, als „weiter Punkte zu sammeln“.

In dichter Szenenfolge gradlinig und schnörkellos erzählt, überzeugt der Film durch die schauspielerische Darstellung sowie den trockenen Witz der Dialoge. Bildmäßig in der Machart eher konventionell (der Charakter des Fernsehspiels ist nicht von der Hand zu weisen), zieht einen die Geschichte in Bann und umschifft erfolgreich Sentimentalitäten und Abgedroschenes.

Doris Senn
Freie Filmjournalistin SVFJ, lebt in Zürich.
(Stand: 2021)
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