VINZENZ HEDIGER

TERRA BRUCIATA (ANDRES PFÄFFLI)

SELECTION CINEMA

Andres Pfäffli hat sich bislang vor allem als Produzent einen Namen gemacht; eine seiner letzten Arbeiten war der vielbeachtete Dokumentarfilm Sophie Taeuber-Arp von Christoph Kühn. Mit Senza luce nessun spazio, einem Film über Mario Botta, debütierte Pfäffli 1988 als Regisseur. Gemeinsam mit der Chiasseser Schriftstellerin Elsa Guidinetti drehte er 1993 Architettura rimossa, eine unvoreingenommene Betrachtung moderner Architektur aus der Zeit des faschistischen Italien. Nach einer Vorlage von Elsa Guidinetti hat Pfäffli nun seinen ersten Spielfilm, Terra bruciata, produziert und inszeniert, und es fällt sogleich auf, daß das vorurteilsfreie Interesse, mit dem sich das Autorengespann zuvor einem politisch nicht unbedenklichen künstlerischen Erbe genähert hat, in der Erzählhaltung von Terra bruciata in gewissem Sinn eine Fortsetzung findet. Scheinbar alltägliche Vorgänge erhalten, zumindest anfänglich, Rätselcharakter, man muß sich auf Beiläufiges einen Reim machen.

Die Hauptfiguren von Terra bruciata kristallisieren sich nur allmählich heraus: der begabte, blondgelockte Jungfußballer Euca (Ivano Marcscotti), Rosso (Giulio Brogi), der grauhaarige, stets in Strickzeug aus dem Hause Missoni gewandete Präsident des lokalen Fußballvereins, sein Lieblingsfeind Maffei (Ferdinando Bruni), ein glatzköpfiger, öliger Schieber. Zwischen diesen beiden Männern schwankt Luca. Soll er Fußballprofi werden, soll er in Maffeis Schmuggelgeschäft einsteigen, bei dem er als Zigarettenschieber schon jetzt ein nettes Zubrot verdient? Eucas Lebenszielkonflikt akzentuiert sich, als unverhofft eine geheimnisvolle Fremde auftaucht: Dea (Maddalena Crippa), Tochter einer der besten Familien der Stadt, die zwanzig Jahre lang als verschollen galt. Sie bringt das prekäre Gleichgewicht des Kleinstadtlebens durcheinander und wird zum Katalysator einer Entwicklung, die für Luca fatal endet und Rosso und Maffei zusammenzwingt.

Terra bruciata bewegt sich filmtechnisch auf einem guten Niveau und ist einleuchtend besetzt. Andres Pfäfflis erste Spielfilmregie enttäuscht gleichwohl. Zum einen bleibt die Inszenierung statisch, und zum andern wirken die Vorgeschichten, die sich im Verlauf des Films erschließen, schal und vermögen den Figuren nie das zusätzliche Profil zu verleihen, das die an sich interessante Erzählstrategie in den ersten Minuten erhoffen läßt.

Vinzenz Hediger
geb. 1969, arbeitet unter anderem als Filmjournalist für eine größere Schweizer Tageszeitung.
(Stand: 2019)
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