Karger und konzentrierter konnte diese filmische Dokumentation über fünf mehrfachbehinderte Menschen kaum sein. Während 25 Jahren hat Fritz E. Maeder mit Kamera und Tonaufnahmegerät «Augenblicke des Lebens» von Thomas S., Harry M., Käthi S., Christian M. und Martha S. festgehalten, ohne dabei die Grenze des genauen Zusehens und Xuhörens je zu überschreiten. Kein Kommentieren, kein Interpretieren seinerseits durchdringt seine selbstgewählte Aufgabe als Beobachter. Lediglich informative Orientierungshilfen wie die jeweils eingeblendeten Altersangaben oder ganz knapp gehaltene biographische Anmerkungen werden den Schwarzweissbildern und dem Direktton zugefügt. Ansonsten ist es ausschliesslich der wichtigsten Bezugsperson der Behinderten - bezeichnenderweise fast in jedem Fall der Mutter - vorbehalten, in wenigen Sätzen über deren und die damit verbundene eigene Lebensgeschichte zu sprechen. Ausgangspunkt ist zu Beginn jedes der fünf Porträts die Erklärung, was die medizinische Ursache der Behinderung war und wie aus dem damals Unfassbaren eine reale menschliche Entwicklung mit Fort- und Rückschritten hervorgehen musste. Von der Mutter von Thomas S. erfährt man beispielsweise, dass er sich aufgrund einer zu spät behandelten Hirnhautentzündung, die er im Alter von neun Monaten erlitt, nicht mehr wie ein «normales» Kind entwickeln konnte. Seine Lebensperspektive war und ist die eines Menschen, der in unzähligen Therapieschritten die Grenzen seiner wertvollen körperlichen und geistigen Fähigkeiten ständig erweitert. Was dies bedeutet, das vermag die Mutter im Cirunde nur für sich selber auszudrücken. Wie diese Entwicklungsphasen in bestimmten Momenten konkret aussehen, dies versucht der Film zu zeigen. Mit unendlicher Geduld werden in Grossaufnahme Thomas' Gesichtsregungen wie auch Handhewegungen beobachtet, oder der Blick der Kamera richtet sich starr auf bestimmte Therapieabläufe, die von Anfang bis Schluss verfolgt werden. Nach einem Schnitt begegnet man ihm dann plötzlich Jahre später wieder bei ähnlichen Übungen, die ebenso eingehend betrachtet werden.
Für Zuschauerinnen und Zuschauer, die weder durch berufliche noch persönliche Kontakte Erfahrungen mit Mehrfachbehinderten haben, vermag diese Darstellungsweise vor allem eines aufzuzeigen: nämlich dass der Erfolg oder Misserfolg solcher Therapien meist in schier unmerklichen Schrittchen verborgen liegt. Was jedoch über diese Erkenntnis hinausgeht und die fünf Einzclschicksale im besonderen betrifft, macht der Film kaum nachvollziehbar. Ganz ohne Erklärungen, was etwa diese oder jene Bewegungsübung genau bezweckt oder warum diese spezifische Arbeit in der Behindertenwerkstätte gewählt wurde, ist es fast unmöglich, die scharfen Beobachtungen inhaltlich zu erschliessen. So entziehen sich ohne «Seh- und Hörhilfe» ausgerechnet diese intensiven Bilder und 'Töne dem Wunsch zu verstehen.