Was ist aus den «Kindern von Furna», ihren Träumen und Wünschen geworden? In Jahre später besucht Christian Schockier zusammen mit seinem Jugendfreund Heinz Lüdi das abgelegene Bergdorf Furna. Dort hatte er 1974 den Lehrer Lüdi mit seinen Schulkindern jeweils an Samstagen mit seiner Kamera besucht, hatte mit autodidaktischem Enthusiasmus, Gefühl und Phantasie seinen ersten Film realisiert: Die Kinder von Furna (1975).
Jahre später - so auch der Titel des Folgefilms - sind aus den Kindern Erwachsene und selbst wieder Eltern geworden. Der notenverweigernde Lehrer Lüdi ist nun Pfarrer in Freiburg. Luzi, sein aufgewecktester Schüler, hat als Elektromonteur die halbe Welt gesehen. Die zurückhaltende und bescheidene Menga pflegt nun bedürftige Alte. Hans, der sich für Jürg Jenatsch begeisterte und Lokomotivführer werden wollte, hat es als Ingenieur nach Mexiko verschlagen. Ein stilles Mädchen im Hintergrund hat nach Drogen- und Alkoholexzessen auf der Alp ihre innere Ruhe gefunden.
Die ehemaligen Schulkinder sind meist nicht sehr beredt, niemand breitet sein Leben aus, niemand startet zu gedanklichen Höhenflügen vor der Kamera. Wo ist das Erfrischende ihrer Schulautsätze geblieben? Der Lehrer Lüdi schweigt bei seinem Besuch in Furna, im ehemaligen Klassenzimmer. Nur einmal spricht er - von der Kanzel herab. Da sinniert er, gleichsam stellvertretend für alle, über Identität, Selbstbild und Ansehen, stellt mit wenigen klaren Worten Fragen, auf die wohl alle seiner ehemaligen Schüler Antworten suchen. Schockier nimmt, was er kriegt, nirgends hakt er nach. Enttäuschte Träume, schal wirkende Glücklich -keitsbezeugungen und zurückgeschraubte Ansprüche vermischen sich in einer fast geheimnisvollen Balance mit Zufriedenheit und Neugier darauf, was noch kommen mag im Leben.
In diesem Geflecht von Lebenssplittern der ehemaligen Schulkinder und Bildern des heutigen Furnaer Alltags stechen die integrierten schwarzweissen Ausschnitte aus Die Kinder von Furna hervor. Sie fesseln nicht nur durch ihren «Charme der früheren Jahre», sondern auch durch spannungsvolle Kadragen und Schnitte, eine Bildsprache, die trotz oder vielleicht gerade wegen technischer Unzulänglichkeiten poetisch und mitunter avantgardistisch wirkt. Diese Poesie fehlt in Jahre später. Die Bilder sind farbig und mit schärlerem Korn aufgenommen, Kameraführung und Schnitt sind konventioneller und uninspinerter geworden. Lippensynchronität ist auch hier Glückssache.
Trotzdem ist Jahre später sehenswert. Die eingefrorene Zeit von zwei weit auseinanderliegenden Momenten im Leben eines Dutzend Menschen fasziniert per se. Sie verweist – über die einzelnen Lebensläufe hinaus - auf den Lauf der Zeit.