Wer in der Schweiz populäres Kino machen will, ist gezwungen, in einer Art Milizsystem zu arbeiten. Populäres Kino ist angewiesen auf Stars, und solche kann sich der Film in der Schweiz - daran hat sich seit Franz Schnyder nichts geändert - nur aus benachbarten Disziplinen der Unterhaltung entlehnen. An die Tradition der «Milizstars», deren bekanntester Vertreter Hannes Schmidhauser im Herbst 2000 verstorben ist, schliesst auch Regisseur Simon Aeby mit der Besetzung seiner freien Gottfried-Keller-Adaption Das Fähnlein der sieben Aufrechten an. In den Hauptrollen spielen der von Titelkämpfen und aus FernsehTalkshows bekannte Snowboard-Crack Fabien Rohrer und die Popsängerin Kisha. Nebenrollen gingen an Silvia Jost, einem breiteren Publikum noch aus Motel bekannt, und an Erich Vock, Boulevard-Mime und Protagonist der SF-DRS-Serie Mannezimmer.
Ohne Umwege über die staatlichen Fördergremien, aber mit Geldern von Succès Cinéma realisiert, schliesst Das Fähnlein der sieben Aufrechten nicht nur an die CastingTraditionen des alten Schweizer Films an, er bindet auch gewisse Elemente des neuen Schweizer Films mit ein. Das Buch basiert auf einer Bühnenfassung des Keller-Stoffes von Hansjörg Schneider, von dem unter anderem auch die Vorlage zu Kurt Gloors Der Erfinder stammt. In Aebys Umsetzung wird Kellers Prosastück zur klassischen Initiations- und Thronbesteigungsgeschichte: Karl Hediger ist der junge Mann, der auszieht, seine eigene Ängstlichkeit, gefährliche Rivalen und gesellschaftliche Widerstände zu überwinden, den tyrannischen (Dorf-)König niederringt, dessen Tochter ehelicht und als guter Nachfolger seinen Platz einnimmt.
Aebys Fähnlein ist überhaupt ein schönes zeitgenössisches Beispiel für das, was der NZZ-Kritiker Edwin Arnet in den Vierzigerjahren den «hollywoodelnden Schweizer Film» nannte: Die Auflösung der Szenen, der häufige Einsatz der Steadycam und die Gestaltung der Tonspur mit einem jazzigen Dauermusik- tcppich sind unverkennbar an amerikanischen Vorbildern geschult, während Schauplatz und Schauspiel wieder eher ans Schweizer Volkstheater erinnern. Gedreht wurde im Freilichtmuseum Ballenberg, und die Nebendarstcllcr poltern und chargieren, dass es eine Art hat. Aebys primäre Leistung in ästhetischer Hinsicht besteht darin, dass er ein gewissermassen filmisches Äquivalent zum Ethno-Chic des Modeschöpfers Michel Jordi geschaffen hat, auch wenn sein Stil noch der Verfeinerung bedarf. Wegweisend könnte das Fähnlein eher in ökonomischer Hinsicht sein. Ein Publikum, das sich sonst dem Schweizer Filmschaffen kaum erschliesst, sprach auf Aebys Werk an. Das Fähnlein der sieben Aufrechten dürfte, Succès Cinéma und den koproduzierenden Privatfernsehgesellschaften sei Dank, nicht der letzte Film seiner Art bleiben.