DANIEL DÄUBER

ON DIRAIT LE SUD (VINCENT PLUSS)

SELECTION CINEMA

Zwei Kumpel sind in einem Kleinbus unter­wegs ans südfranzösische Meer und erhoffen sich dort ein paar Tage Ruhe und Entspannung. Plötzlich hält der eine in einem Dorf auf dem Weg an. Wie sich herausstellt, will sich der junge Geschiedene dort mit seiner Ex-Frau und sei­nen Kindern versöhnen. Das war offenbar von Anfang an sein Plan, denn er hat nicht bloss Sachen für ein paar Tage Ferien dabei, sondern sein ganzes Hab und Gut aus der geräumten Wohnung. Sein Kollege ist nicht sonderlich be­geistert von dieser Idee; und auch die Kinder und vor allem die Ex-Frau fühlen sich brüskiert und überfallen; er will nämlich wieder bei ihnen wohnen und macht sich sogleich im Haus breit. Zu ersten offenen Streitigkeiten kommt es, als der neue Freund der Frau heim­kommt und seine Eifersucht bekundet. Ver­ständlich, dass er den Nebenbuhler möglichst schnell wieder aus dem Haus haben will. Schliesslich entscheiden die Kinder, dass sie mit ihrer Mutter, deren neuem Freund, ihrem leib­lichen Vater und dessen Kumpel für ein Pick­nick aufs Land fahren wollen. Dort kommt es zwar zum endgültigen Eclat, überraschender­weise kann man sich aber auf eine Lösung des Zusammenlebens einigen.

Der 33-jährige Regisseur Vincent Pluss stu­dierte an der Universität von New York und sammelte erste Erfahrungen als Cutter fürs Fernsehen. Mit diesem auf Digitalvideo gedreh­ten Film wollte er «eine Art Gegengift» zu den perfektionistischeren traditionellen Filmpro­duktionen schaffen. Deshalb auch sein Engage­ment in der «Doegmeli»-Bewegung, die sich in Anlehnung an ihr dänisches Vorbild «Dogma» zum Ziel gesetzt hat, die Schweizer Filmland­schaft mit unkonventionellen Produktions­ansätzen zu verändern. Niedergeschlagen hat sich das in On dirait le sud einerseits in der Machart: In wenigen Tagen gedreht, findet man sich durch wacklige Kameraaufnahmen in den typischen Videofarben mitten in einem Fami­liendrama wieder, was teilweise zu einer un­gemütlichen Unmittelbarkeit führt. Zusätz­liche Authentizität erhält der Film andererseits dadurch, dass die Geschichte zwar auf einem Drehbuch fusst, die Schauspieler die Grund­struktur jedoch individuell interpretierten und über weite Strecken improvisierten. Was bei andern die Crux, ist bei Pluss gerade das Schar­nier zum Funktionieren. Die Geschichte ist stets im Vordergrund, strukturiert den Film, wobei sich die Länge von einer Stunde als ver­nünftiges Mass erweist. Wahrlich eine «Skizze im positiven Sinn des Wortes», wie Pluss das ausdrückt.

Daniel Däuber
*1966, hat in Zürich Filmwissenschaft studiert, unter anderem für die Schweizer Filmzeitschreiften Zoom und Film geschrieben und arbeitet zurzeit als Filmredaktor beim Schweizer Fernsehen.
(Stand: 2011)
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