VERONIKA GROB

ALLES WIRD GUT (THOMAS HESS)

SELECTION CINEMA

Anfang der Neunzigerjahre begrüsste der farbenfrohe Slogan «Alles wird gut» die Zugreisenden in Zürich. Die besetzte Kulturfabrik Wohlgroth, an deren Fassade die Wörter prangten, wurde längst abgerissen, und der Zürcher Kreis 5 hat mit Platzspitz und Letten eine traurige internationale Berühmtheit erlangt. Zwar ist die Drogenproblematik heute nicht mehr ganz so augenfällig, doch gibt es immer noch genug Junkies und damit Angehörige, die sich mit der Suchtproblematik auseinander setzen müssen, ohne dabei die Hoffnung zu verlieren. Genau darum geht es im Fernsehfilm Alles wird gut von Thomas Hess.

Herbert Müller, Vater der drogensüchtigen Isabelle, will verzweifelt daran glauben, dass sich alles zum Guten wenden wird. Nach einem Entzug kommt die 19-Jährige zurück nach Hause, um wieder festen Boden unter die Füsse zu kriegen. Isabelle interessiert sich allerdings wenig für das Elektronikgeschäft ihres Vaters, wo sie arbeiten soll: Sie will Rocksängerin werden. Eines Nachts plündert sie die Geschäftskasse und landet wieder auf der Gasse.

Während sich die Mutter von Sozialarbeitern und einer Selbsthilfegruppe beraten lässt, macht sich der Vater auf, seine Tochter im Zürcher Langstrassenquartier zu suchen. Er ist überzeugt, dass Isabelles Kollege Osman etwas mit dem Rückfall seiner Tochter zu tun hat. Ein Bekannter vom Kegelverein macht ihm den Vorschlag, ein paar rechtsextreme Schläger anzuheuern, um herauszufinden, wo sich Isabelle aufhält. Doch diese prügeln Osman ins Koma, ohne etwas in Erfahrung zu bringen. Nun hat Herbert nicht nur die Polizei, sondern auch die Schläger am Hals, die von ihm ein Alibi für die Tatzeit verlangen.

Thomas Hess hat 1999 mit Einladung auf dem Lande seinen Abschlussfilm an der Hochschule für Gestaltung und Kunst vorgelegt. Danach wirkte er als Ko-Autor von Simon Aebys Das Fähnlein der sieben Aufrechten, bevor er mit Alles wird gut seinen ersten Spielfilm realisierte. Er hat sich viel vorgenommen: Das subtile Drogendrama wandelt sich nämlich in einen veritablen Krimi. Überzeugend ist die Schilderung von Isabelles Elternhaus, in dem Vater und Mutter sich entfremden angesichts der Frage, was der richtige Umgang mit der süchtigen Tochter ist. Alles wird gut ist vor allem das Porträt eines verzweifelten Vaters, auch dank Herbert Leiser (bekannt aus den Filmen Xavier Kollers), der diese Rolle mit grosser Intensität spielt. Neben ihm gibt Anne-Marie Kuster die Mutter, und die Neuentdeckung Türkân Yavas, die gerade ihre Schauspielausbildung abgeschlossen hat, spielt die drogensüchtige Tochter. Erwähnenswert ist Pierre Mennels raffinierte Kameraführung: Oft werden die dunklen, schweren Bilder von wenigen Lichtquellen beleuchtet. Der Film endet in einer furiosen Schlusssequenz, in der Michael Finger, Träger des Schweizer Filmpreises 2002, als bösartig überdrehter Neonazi auf seinem Opfer durch den nasskalten Wald reitet.

Veronika Grob
geh. 1971, hat Literaturwissenschaften studiert und arbeitet als Filmredaktorin bei SF DRS. Mitglied der CINEMA-Redaktion seit 2002.
(Stand: 2018)
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