EVA MOSER

SKINHEAD ATTITUDE (DANIEL SCHWEIZER)

SELECTION CINEMA

Entstanden im Grossbritannien der Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts, entwickelten sich die Skinheads von einem Zusammenschluss Jugendlicher aus dem Arbeitermilieu zu einer weltumspannenden Bewegung mit tausenden von Mitgliedern. In ihren Anfängen waren sie, ähnlich wie die Punks, nichts anderes als eine Jugendszene, die sich mit ihrer Kleidung, vor allem aber mit ihrer Musik – Ska und Reggae – von der bürgerlichen Welt der Erwachsenen abgrenzen wollte. Erst Ende der Siebzigerjahre spaltete sich der rechte Flügel von der ursprünglichen Szene ab und formierte sich neu in der «Blood and Honour»-Bewegung. Seither prägen diese rechtsradikalen, rassistischen Skins das landläufige Bild der Skinheads.

Skinhead Attitude räumt auf mit diesem Vorurteil. Wie Schweizer zu Beginn seines Dokumentarfilms aus dem Off ankündigt, ist es ihm ein Anliegen das Bild zu korrigieren, das auch er in seinem Film Skin or Die (1998) bestätigte, und so zeichnet er hier das Bild einer mehrheitlich friedlichen Jugendbewegung. Die junge Carole, eine französische linke Skinhead, reist durch verschiedene europäische Länder, in die USA und nach Kanada und trifft dort Gleichgesinnte. In zahlreichen Interviews erzählen die Skins von ihren Erfahrungen, von Kämpfen mit rechten Skins, von ihrer Musik und ihren Überzeugungen. Vereinzelt kommen auch rechtsradikale Skinheads zu Wort. Sie bestätigen das Klischee des rassistischen, gewaltbereiten Schlägers. Diese Gegenüberstellung fällt streckenweise ein wenig einseitig aus. Viele Rechtsradikale, vor allem in Europa, wagten sich nicht vor die Kamera. In den USA dann das umgekehrte Bild. Linke Skins fürchteten die Rache der rechten Szene, die in Amerika äusserst radikal und gewalttätig ist und sowohl dem Ku-Klux-Clan als auch der Arian Nation nahe steht.

Skinhead Attitude lässt in erster Linie die Menschen erzählen. Seltene Off-Kommentare erklären höchstens gewisse Begriffe, erläutern Zusammenhänge und führen unaufdringlich durch die Geschichte. So erhält man einen direkten, unreflektierten Einblick in diese Szene. Eine grosse Rolle spielt, wie in jeder Jugendbewegung, die Musik als Stifterin von Identität und Zusammengehörigkeit. Diverse Amateuraufnahmen von Konzerten hinterlegen die Erzählungen und verstärken den Eindruck der Authentizität.

Der Film lässt dem Betrachter genügend Raum für einen anderen Einblick. Er schaut hinter die Schlagzeilen von marodierenden Skinheadgangs, ohne diese Tatsache zu verschweigen oder zu beschönigen.

Eva Moser
geb. 1976, studiert Geschichte, Politologie und Publizistik an der Universität Zürich. War längere Zeit für StarTV als Cutterin der MovieNewsRedaktion tätig. Lebt und arbeitet in Zürich.
(Stand: 2004)
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