SIMONA FISCHER

ONE BULLET LEFT (MARKUS FISCHER)

SELECTION CINEMA

Nach dem internationalen Erfolg ihres Erstlings Passengers haben Regisseur Markus Fischer und Choreograf Richard Wherlock mit One Bullet Left wieder einen Tanzfilm der Extra-Klasse geschaffen. Im Stil der Série-noireFilme, mit bewusst überstilisierter Bildsprache, die sich an den Comics des Franzosen Loustal anlehnt, besticht der getanzte Stummfilm durch seine Ausdruckskraft und durch das Engagement des Basler Ballett-Ensembles. Die expressionistischen Bilder werden von der Musik des Schweizer Komponisten Peter Scherrer untermalt.

Erzählt wird die Geschichte des Musikers Barney, der nach längerer Abwesenheit in sein heruntergekommenes Stadtviertel zurückkehrt. Er trifft auf zwielichtige Gestalten seiner Vergangenheit, alte Freunde heissen ihn willkommen, andere wünschen ihm den Tod. So sein Widersacher, der Mafiaboss Baxter, der in Barneys Abwesenheit das Viertel fest in seine Hand gebracht hat. Und schliesslich ist da noch seine alte Liebe Justine. Nichts geht vergessen, was zur perfekten Thrilleratmosphäre eines Gangstermilieus beiträgt.

Die Rückkehr des Musikers wühlt Vergangenes auf, das ihn in Form traumähnlicher Rückblenden immer wieder einholt. Kontrapunktisch zu ihm steht der Unterweltboss Baxter, der durch die Gegenwart des Trompeters nicht nur um seine Vormachtstellung zu fürchten hat, sondern auch um die Liebe Justines. In dieser klassischen Dreiecksgeschichte um Liebe, Vergeltung und Macht kann der tragische Verlauf der Geschichte nach einem atemberaubenden Showdown von niemandem mehr aufgehalten werden, denn: Eine Kugel ist noch übrig ...

Mit diesem ungewöhnlichen Tanzund Musikfilm wird einmal mehr deutlich, dass die Diegese durch den Verzicht auf Dialog nichts an ihrer Verständlichkeit einbüsst. Die Musik, deren universeller Charakter die Grenzen des Wortes zu sprengen vermag, und ihr Gegenpart, der Tanz, als hochentwickelte körperliche Sprachform, bezeugen dies in One Bullet Left auf besondere Art. Nicht umsonst wurde dieser comicartige Gangstertanzfilm mit der Rose d’Or 2004 in der Kategorie Musik ausgezeichnet. Nebst herausragend dramaturgischer Leistung, die den Bildern jene Suggestivkraft verleiht, die nicht selten an das Werk des amerikanischen Malers Edward Hopper erinnert, unterstützt die Farbsymbolik die aufgeladene Bildsprache. Bewusst eingesetzte Klischees der Gangsterfilme sind augenzwinkernd durch aus dem Comic entlehnte Animationseinlagen unterstrichen. Werden auf der einen Seite die Emotionen der Figuren entsprechend stilisiert, führt die Kameraführung und der Schnitt die Geschmeidigkeit im Bewegungsablauf der Tänzerinnen und Tänzer fort und wirkt so wie ein durchscheinendes choreografisches Interpunktionssystem.

Simona Fischer
geb. 1972. Studium der Germanistik, Publizistik und der Filmwissenschaft. Arbeitet für das Literaturhaus Zürich und als freie Journalistin in Zürich.
(Stand: 2006)
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