FLAVIA GIORGETTA

WENN DER RICHTIGE KOMMT (OLIVER PAULUS, STEFAN HILLEBRAND)

SELECTION CINEMA

Wenn der Richtige kommt, weisst du das mit dem ganzen Herzen, sagt die Putzfrau Paula, und im Wachmann Mustafa hat sie den Richtigen gefunden. Sie arbeiten im gleichen Gebäude und reden in den Pausen über ihre Hobbys. Wenn Mustafa von seiner Stammbar erzählt, missversteht Paula das als Einladung; in jeder freundlichen Geste von ihm sieht sie ein Liebesbekenntnis. Die so direkte wie naive Paula versteht soziale Codes nicht und nimmt jeden Satz, jede Geste für bare Münze. Deshalb durchschaut sie auch nicht ihre neue Freundin: Frau von Dewitz nennt sie sich, und sie tritt so elegant auf und ist so perfekt frisiert, dass Paula sich in ein Märchen versetzt fühlt. Mit ihrer Resolutheit und ihrem Aussehen kaschiert von Dewitz ihre Armut und Arbeitslosigkeit: Sie kann nicht mal ihre Zeitung bezahlen und bügelt täglich dasselbe Kleid.

Eines Tages taucht Mustafa nicht mehr bei der Arbeit auf; er ist in die Heimatstadt seines Vaters gezogen, nach Adana. Hier beginnt «Paulas Reise», ihr eigentliches Abenteuer. Sie fliegt alleine in die türkische Millionenstadt, nachdem die von Dewitz sie im letzten Moment sitzen gelassen hat, und sucht nach Mustafa. «Paulas Wunder» ist, dass sie ihn tatsächlich findet, doch die Ernüchterung folgt: Er ist verheiratet. Paula hat aber schon einen neuen Freund gefunden, dank dem sie einige Wochen in einem Luxushotel arbeiten kann – «ich, Paula Hartnagel, habe im Hilton geputzt!».

Der Schweizer Oliver Paulus hat bereits den mehrfach ausgezeichneten Kurzspielfilm Die Wurstverkäuferin mit dem Regisseur Stefan Hillebrand und der Schauspielerin Isolde Fischer, beide Deutsche, realisiert. Wie dort gelingt es ihnen mit Wenn der Richtige kommt, in der Naivität einer «Unsichtbaren» Momente der Poesie zu finden. Während die Einteilung in Kapitel auf ein Märchen verweist – als das Paula ihr Leben auch teilweise gestaltet –, führen Namens- und Berufseinblendungen zu Beginn des Films die Zuschauer auf die Fährte des Dokumentarischen. Die Regisseure wollten einen Spielfilm wie einen Dokumentarfilm drehen: Ohne Drehbuch wurde improvisiert, es gab keine Wiederholungen, und Nebenrollen sind mit Laien besetzt, die beim Dreh vor Ort gefunden wurden. Das mag manchmal in Sackgassen führen, so entstehen aber auch genau diese banalen Gespräche, welche die Personen glaubwürdig machen. Auch wenn Paula in Sätzen spricht, die O-Ton einer x-beliebigen Talkshow sein könnten, wird sie nie der Lächerlichkeit preisgegeben. Im Gegenteil: In ihrer Kindlichkeit liegt eine grosse Aufrichtigkeit, und manchmal scheint auch Selbstironie aufzublitzen. Als sie dem baffen Mustafa in der Türkei aus einem Maisfeld entgegentritt, bemerkt sie locker: «Ich hab gedacht, ich schau mal vorbei.» Auch wenn sie ihn nicht kriegt, so hat sie doch ihr Abenteuer gewagt und ist einer Idee nachgereist – um sich schliesslich von ihr wieder zu verabschieden.

Wenn der Richtige kommt wurde 2003 in der Sektion «Zabaltegi – New Directors» am Filmfestival von San Sebastián gezeigt und von der Jury lobend erwähnt.

Flavia Giorgetta
geb. 1973, Studium der Anglistik, Filmwissenschaft und Volkswirtschaftslehre. Lebt in Zürich und arbeitet als wissenschaftlich-päda­gogische Assistentin im Studienbereich Film an der HGK Zürich. Mitglied der CINEMA-Redaktion seit 2001.
(Stand: 2018)
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