MICHÈLE WANNAZ

DER WITZ UND SEINE BEZIEHUNG ZUM PAARUNGSVERHALTEN

ESSAY

Es gibt Regeln, die gelten erst seit der Erfindung des Kinos. Etwa, dass Achsensprünge Todsünden sind, blonde Frauen meist solche spielen oder Humphrey Bogart einfach nicht lachen sollte. Sie wissen schon: das Gebiss. Küssen darf er hingegen dennoch. Denn das steht ihm gut – und bringt erst noch Geld ein: Liebesgeschichten sind seit je ein Hauptstandbein Hollywoods. Noch lauter aber klingeln die Kassen, wenn ein Film beides kombiniert – Kuss und Lachen. Dafür kreierte Hollywood gar ein eigenes Genre: die Romantic Comedy.

Auch sie hat klare Regeln. Diese erschöpfen sich aber nicht etwa im dramaturgischen Einmaleins von defining scene, Hindernissen, Wendepunkten und einem hübschen Happyend – auch das Verhältnis der Geschlechter ist exakt vorstrukturiert. In der Regel geht das so: Mann trifft Frau, will sie, sie ihn aber nicht. Oder umgekehrt. Oder – ebenfalls äusserst beliebt – die Antipathie ist gegenseitig, und natürlich richtig heftig. Die mit Abstand häufigste Konstellation ist aber: Ein Musterfall missglückter Männlichkeit buhlt um eine unerreichbar schöne, tolle Frau. Und kriegt sie am Ende trotzdem – weil sie lachen muss.

In der Tat; wenn Männer erobern wollen, haben sie die Wahl: Sie dürfen entweder stark sein – oder lustig. Letzteres bleibt ihnen übrig, wenn sie in allen anderen nach wie vor mit Männlichkeit konnotierten Disziplinen versagen: dem schnittigen Umgang mit Schusswaffen, schnöder Schlagfertigkeit oder beherzter Zivilcourage en passant. Und es tut seine Wirkung, seit es Filme gibt. Charlie Chaplin und Buster Keaton machten es bereits in der Stummfilmzeit vor. Jerry Lewis, Peter Sellers, Woody Allen und eine ganze Heerschar von Kollegen folgten. Und noch heute erobern Adam Sandler, Ben Stiller, Jim Carrey und Co. ihre Dame des Herzens mittels Komik. Da stellt sich natürlich die Frage: Warum erotisiert Komik so? Weshalb ist das Lachen des anderen Geschlechts – zumindest in Romantic Comedies – ein so klares Signal für einen baldigen Kuss?

Um dies beantworten zu können, muss zuerst kurz erläutert werden, wodurch Humor überhaupt zustande kommt. Lachen erfolgt meist als Reaktion auf eine perzipierte Inkongruenz. Es ist Ausdruck eines unlösbaren Widerspruchs, entspringt also besonders oft dem Konflikt von Ideal und Wirklichkeit – in Romantic Comedies primär der Diskrepanz zwischen dem Ideal der Geschlechterrolle und deren realer Manifestation. Der Witz des Genres besteht also darin, dass einer der Partner – und zwar meist der Mann – im Widerspruch zur Rolle des romantischen Liebhabers steht. Er ist grenzenlos ungeschickt, wenn es darum geht, traditionelle Formen der Eroberung zu imitieren. Die umworbene Frau bleibt dabei oft bessere Staffage; ein je nach dramaturgischer Erfordernis erschreckt oder verzückt dreinblickendes Objekt der Begierde, um das herum der Held dann seinen missglückten Brunfttanz vollführt.

Dass dies so unwiderstehlich wirkt, mag zunächst erstaunen. Auf den ersten Blick ist es nämlich alles andere als erotisch, wenn sich ein Mann – wie Ben Stiller in There’s Something About Mary (Farrelly Brothers, USA 1998) – sein bestes Stück im Reissverschluss einklemmt, sich mit Amok laufenden Toilettenspülungen (Stiller in jedem seiner Filme), bissigen Haustieren (Stiller in jedem zweiten Film) und diversen anderen Dingen herumschlagen muss, die eher männlich konnotierte Territorien wie Technik/Hausbau und wilde Tierwelt symbolisieren. Auch scheint Hugh Grant nur beschränkt anziehend, wenn er sich in Notting Hill (Roger Michell, GB/USA 1999) erst über einen Gartenzaun wagt, nachdem Julia Roberts es leichtfüssig vorgemacht hat. Dass ihm dabei andauernd kindliche Laute wie «upsala» und «hopsala» entweichen, macht die Sache auch nicht besser. So verwundert es vorerst auch hier, dass er seine Angebetete – immerhin ein gefeierter Hollywoodstar – am Ende doch noch zu einem Leben in Notting Hill, miefigen Pubs und Gesundheitslatschen bekehren kann.

Bei näherem Hinsehen ist es jedoch nichts als logisch. Dabei gilt es aber immer zwischen zwei Spielarten der Komik zu unterscheiden: der unfreiwilligen und der freiwilligen. Denn auch wenn letztere die erstere oft bloss ergänzt – also sozusagen aus der Not eine Tugend macht –, wirkt doch jede aus anderen Gründen attraktiv, indes sie häufig in einem komplexen Wechselspiel miteinander stehen. Nur eines haben sie beide gemeinsam: Sie wirken primär auf das weibliche Geschlecht. Komödiantinnen, die ihr objet du désir allein durch ihr komisches Wesen erobern, sind im Kino seit je rar. Auf die Gründe hierfür werde ich später eingehen. Zunächst soll der Frage nachgegangen werden, weshalb (männliche) Komik überhaupt so verführerisch wirkt.

Nichtintentionale Komik

Das geht besonders gut anhand von Woody Allens Annie Hall (USA 1977), einer Art neurotischen Variante der klassischen Romantic Comedy. Erstens läuft der Film wie seine Hauptfiguren ständig aus dem Ruder, versagt ihnen dadurch allzu romantische Tête-à-têtes und legt die Mechanismen des Genres offen, indem er sie reflektiert. Und zweitens erobert die perfekte Antithese zum Konzept «Männlichkeit» hier gleich drei Frauen in Folge – und zwar gerade durch ihr Defizit: Annie (Diane Keaton) verfällt in Verzückung über Allens linkisch zur Schau gestellte Unmännlichkeit. So regt sie sich beim gemeinsamen Krabbenfang in der Küche nicht etwa auf, wenn er hysterisch kreischend vom einen Bein auf das andere hüpft, sondern gluckst ganz glücklich.

Kein Wunder: Die offensichtliche Unzulänglichkeit des Gegenübers nimmt einem den Druck, selbst perfekt sein zu müssen. Jemand, der selber ständig alles fallen lässt, etwas einklemmt und gegen jede Schranktüre stösst, wird wohl auch die Schwächen des anderen leichter akzeptieren. Dieser fühlt sich so viel eher akzeptiert und somit begehrenswert und erotisch. Das gesteigerte Selbstwertgefühl wird seinem Verursacher daraufhin durch euphorisches Suchtverhalten verdankt – das man gemeinhin auch Verliebtsein nennt.

Das gemeinsame Übertreten sozialer Normen, vielleicht sogar Tabus durch die (absichtliche oder auch unbeabsichtigte) Verweigerung der vorgeschriebenen Rolle bewirkt zudem Erleichterung, ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit, im besten Fall gar eines «Revoluzzertums» gegen eine festgefahrene Welt voller abgestandener Konventionen. Das fühlt sich gut an – und frisch. Denn mit jeder neuen Sichtweise auf die Welt (und also auf sich selbst) wird am Kern des Verliebtseins gerührt: sich selber neu sehen, neu erfinden, neu beund somit aufwerten; das Gefühl eines Aufbruchs, ein Aufgeregtund ein Aufgewühltsein – und vor allem die Hoffnung, dass in Zukunft alles besser, da ja alles anders werden wird.

Und so absurd ist diese Hoffnung nicht einmal. Denn tatsächlich erweisen sich komische Männer in der Regel als ein langfristig lohnendes Investitionsgut. Zumindest, wenn es nach dem Anthropologen Karl Grammer geht, der sich auf evolutionsbiologische Theorien beruft. Denn Grammer weiss: Frauen wollen feminisierte, emotional anhängliche Lebenspartner, die den optimalen Aufzug ihrer Kinder gewähren. Man mag davon halten, was man will – eines steht jedoch fest: Die erotische Ausstrahlung von Humor ist kaum von der Sorte, die das Gegenüber sich die Kleider vom Leib reissen lässt. Vielmehr lässt sie (Frauen-)Herzen höher schlagen, wenn sie mit der Aussicht auf einen Ehering kombiniert wird. Nicht umsonst erfährt der Typus des komischen Manns eine besondere Häufung in der romantischen Komödie – einem Genre, das Sexszenen a priori ausschliesst.

In Komödien, die den klassischen romantic plot nicht so strikte bedienen, kann es zwar schon einmal zur Sache gehen. Das kommt bezeichnenderweise aber selten gut. In Annie Hall zum Beispiel muss die Titelfigur immer erst einen Joint rauchen, bevor sie sich von Alvy (Allen) unter die Decke zerren lässt. Und verbietet er ihr das einmal – «Es kann doch nicht sein, Annie, dass du nur mit mir schlafen kannst, wenn du high bist!» –, verlässt sie mittels Trickverfahren buchstäblich ihren Körper, um gelangweilt von aussen zuzusehen.

Intentionale Komik

Zeigt sich eine Frau jedoch langzeitwillig, ist es Alvy Singer auch wieder nicht recht. Dann fährt er sich beim Küssen andauernd unwirsch durchs Haar, springt nervös vom Bett auf und bastelt verzweifelt an einer weltumspannenden Verschwörungstheorie, die ihn derart beunruhigt, dass er nicht mehr mit ihr schlafen muss. Schliesslich hat Allen den Film bereits mit dem Groucho-Marx-Witz eröffnet, der für ihn so bezeichnend ist: «Ich möchte nie einem Klub angehören, der Leute wie mich als Mitglied aufnimmt.» Denn: «Das ist genau die Einstellung, die ich Frauen gegenüber habe, seit ich erwachsen bin.»

Allen ist das Paradebeispiel für eine ganze Reihe von Komödianten, die ihre nichtintentionale Komik durch intentionale noch verstärken. Ihre Fähigkeit zur Selbstironie ist ein Zeichen für geistige Souveränität, adäquate Selbstwahrnehmung und also die Gabe, «die Welt» richtig einzuschätzen. Dies könnte bei der Frau die Empfindung wecken, dadurch – also Voraussicht und List – genauso effektiv beschützt werden zu können wie durch simple Muskelkraft. Und das ist ja schliesslich schon auch sexy.

Ironie ist aber nicht immer nur Intelligenzgeprotze. Sie hat auch oft die Funktion, der Ohnmacht angesichts einer staatlichen, juristischen oder physischen Übermacht eine moralische Überlegenheit entgegenzusetzen, die den Gegner zumindest im Geist in die Knie zwingt, da sie ihn lächerlich macht. Das beflügelt – und löst körpereigene Endorphine aus, die das Verliebtheitsgefühl, mit dem Gegenüber die Welt erobern zu können, verstärken oder gar erst auslösen.

Ein hübsches Beispiel hierfür ist La vita è bella (Roberto Benigni, I 1997), dessen erster Teil im Italien der frühen Dreissigerjahre spielt: Guido (Benigni) hat einen Plan. Er will seine principessa erobern, die hübscheste Lehrerin der ganzen Stadt. Also schnallt er sich die Nationalflagge um und schreitet majestätisch in die Schule, wo der Inspektor aus Rom erwartet wird. Denn die Prinzessin mag es, ihm unverhofft zu begegnen. Als Guido vom Lehrerkollegium dann aber darauf behaftet wird, nun doch endlich den angekündigten Vortrag zu halten, kann er nicht anders: Er muss die Überlegenheit der arischen Rasse preisen und illustrieren. Für ein durch und durch jüdisches Individuum eine eher anspruchsvolle Aufgabe. Also demonstriert er kurzerhand die Beweglichkeit seines Ohrläppchens, die Biegsamkeit seines Knies und entblösst schliesslich ekstatisch seinen Bauchnabel, angeblich ein «italienisches Prachtexemplar». Das gesamte – mehrheitlich weibliche – Lehrerkollegium ist entsetzt. Bloss eine strahlt ihm unverhohlen entgegen: die principessa.

Spätestens in diesem Moment kann es auch das Publikum kaum mehr erwarten, dass sie von Guido endlich geküsst, geschwängert und geheiratet wird – und zwar in möglichst rascher Folge. Denn man weiss: Sie ist die Richtige. Die Frau, die über den Humor eines Mannes lacht, soll für immer an seiner Seite bleiben.

Schon Tucholsky meinte schliesslich, man solle jene Frau heiraten, die im Theater an derselben Stelle lacht wie man selbst. Vielleicht war er selber so klug (was anzunehmen ist), vielleicht hat er aber auch Freud gelesen (was ebenfalls anzunehmen ist). Denn bereits dieser wusste um die soziale Bedeutung des Witzes, der die Solidarisierung von Gleichgesinnten gegen Staat, Kirche oder sonst wie Andersdenkende spielerisch zum Ausdruck bringt. In «Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten» schreibt er, gemeinsames Lachen sei immer auch ein Ausdruck von Verschwörung gegen herrschende Werte und Normen. Und was gibt es schliesslich Romantischeres als die Verbündung im Geiste, als das «Wir beide gegen den Rest der Welt»-Gefühl, das immer auch ein Füreinander-bestimmt-Sein suggeriert. Dass der Held der romantischen Komödie dabei – vom Standpunkt der Filmemacher aus – immer auf der moralisch korrekten Seite steht, versteht sich von selbst. Denn es gibt eine Regel, die niemals gebrochen werden darf: Lache nur über solche, die dich aktiv unterdrücken. Oder über dich selbst. Sonst gibt es nie, nie, nie eine Frau.

Neben dem Lachen aus Hilflosigkeit gibt es nämlich noch jenes aus Überlegenheit. Letzteres wird geerntet, wenn ein Mensch sich über andere lustig macht, um seine eigenen Qualitäten herauszustreichen. Das Witze-Machen auf Kosten anderer ist eine Humorform, die die Männer im Film häufiger verwenden als die Frauen. Es sollte wohl Potenz und Souveränität ausstrahlen. Tatsache ist aber, dass es zumindest auf die «lieben», begehrenswerten Frauen der Romantic Comedies keinen Eindruck macht.

Perfekt illustriert wird dies durch Groundhog Day (Harold Ramis, USA 1993), wo Bill Murray Andie MacDowell durch seinen Sarkasmus zuerst abstösst und erst nach seiner Läuterung zum altruistischen Clown im Sturm ihr Herz erobert. Hier haben wir auch gleich eine klassische Romantic-ComedyFrauenrolle: MacDowell verkörpert die wahren Werte des Lebens – Schönheit, Tugend, Güte und Herzenswärme.

Die Frau als Publikum

Wenn Frauen erobern wollen, müssen sie nämlich vor allem eines: schön sein. Und ernst. Dass der weibliche Part der komische ist, bleibt bei Romantic Comedies die Ausnahme. Dass Frauen lieber über Männer lachen als umgekehrt, scheint aber keine Erfindung Hollywoods zu sein. So fand der amerikanische Neurowissenschafter Robert R. Provine heraus, dass Männer in Anwesenheit von Frauen viel weniger lachen als umgekehrt. Ein klassisches Date zeichne sich durch wilde Anekdoten des Mannes und das anerkennende Gekicher seiner Zuhörerin aus, was Provine vor allem auf die uralte Geschlechterhierarchie zurückführt. Denn Lachen sei auch ein Zeichen der Zustimmung oder gar der Demut. Es signalisiere: «Mehr davon bitte, das gefällt mir!» Tatsächlich korrelierten die Anzahl Lacher gar mit dem Sympathiegrad: Frauen mit dem höchsten Lachquotienten bekundeten das stärkste Interesse an ihrem Gesprächspartner. Umgekehrt zeigten sich die Männer eher von den Frauen angetan, die in ihrer Gegenwart besonders oft lachten. Was beim Referieren solcher Daten allerdings gern unterschlagen wird: Es handelt sich natürlich vielmehr um eine leichte Tendenz als um einen apodiktischen Wert.

Dennoch – dass der männliche Unterhaltungswert nicht nur prima als Sexuallockstoff dient, sondern Männer auch gezielt nach Frauen suchen, die diesen schätzen, ist einmal mehr in Annie Hall meisterlich in Szene gesetzt. Als Alvy sich für kurze Zeit von Annie getrennt hat, zeigt Allen, wie sehr er sie vermisst, da allen anderen Frauen, denen er begegnet, etwas Essenzielles fehlt: Alvy steht in der Küche und versucht ungeschickt, Hummer wieder einzufangen, imitiert also genau jene Aktion, über die Annie sich krummgelacht hat. Seine neue Eroberung starrt ihn aber nur verständnislos an: Er sei doch ein Mann, er wisse doch wohl mit Hummern umzugehen. Alvy darauf entschuldigend: «Seit ich aufgehört habe zu rauchen, bin ich einfach nicht mehr ich selbst.» Sie, mitfühlend: «Wann hast du denn damit aufgehört?» Darauf Alvy: «Vor sechzehn Jahren.» Die Frau starrt ihn entgeistert an. Sechzehn Jahre? Das sei doch eine lange Zeit. Allens Blick hierauf ist von einer Verzweiflung, die in der Filmgeschichte ihresgleichen suchen muss.

Die Szene illustriert auch sehr hübsch eine erst online publizierte Studie von Eric Bressler, Psychologe an der kanadischen McMaster University. Dieser fand nämlich heraus, dass «Sinn für Humor» bei der Partnerwahl eine zentrale Rolle spielt. Doch während Frauen insbesondere jene Männer humorvoll finden, die sie zum Lachen bringen, sprechen Männer denjenigen Frauen den grössten Humorfaktor zu, die sich wegen ihrer Witze krümmen. Noch heute scheint also der Konsens zu herrschen: Männern steht die Fähigkeit zu Witz und Zynismus – schliesslich ist sie ein Zeichen von Intelligenz –, bei Frauen stört sie aber nur, weil sie die Überlegenheit des Mannes bedroht.

Wenn es nach dem britischen Verhaltensforscher Desmond Morris ginge, hätte dies sogar einen evolutionsbiologischen Grund: Um sexuell attraktiv zu wirken, müsse der Mensch Gesundheit und Jugendlichkeit ausstrahlen, ist er überzeugt. Doch während die Frau nach und nach ihre Kindlichkeit körperlich akzentuierte – höhere Stimme, glatte Haut und «Babyspeck» –, habe der frühzeitliche Mann ein immer infantileres Verhalten entwickelt. Dieser angeborene Spieltrieb sei ihm auch bei der Nahrungsbeschaffung nützlich gewesen, während die Frau – aufs Muttersein programmiert – ein stärkeres Verantwortungsbewusstsein habe ausbilden müssen.

Netter Einfall, Herr Morris. Wirklich. Doch weshalb auf der Leinwand bis heute kaum Frauen, sondern noch immer meist Männer die Witze reissen, ist mit ein bisschen Evolutionsbiologie natürlich noch längst nicht geklärt. Der Hauptgrund ist denn auch ein anderer: Da Komik fast immer aus dem Konflikt von Ideal und Wirklichkeit entsteht, waren lange Zeit bloss Frauen lustig, die selbständig, stark und dominant sind. Da diese gleichzeitig aber eine Bedrohung für die patriarchal strukturierte Welt darstellten, wurden sie von Filmproduzenten oft gar nicht erst gefördert – und als Frauen im Zuge der Emanzipation dann endlich Eigenständigkeit zugestanden wurde, war die Rolle der starken, unabhängigen Frau natürlich nicht mehr lustig, sondern eine sehr ernste Sache. Das ist sie noch immer: Vor gerade mal zweieinhalb Jahrzehnten spielte Sigourney Weaver in Alien (Ridley Scott, GB/USA 1979) die erste Actionheldin Hollywoods. Und sie blieb lange fast die einzige. Die neue Rolle ist also noch viel zu wenig etabliert, um sie schon wieder systematisch brechen zu können.

Dennoch wurde unter bestimmten soziohistorischen Bedingungen die umgekehrte Rollenverteilung begünstigt. Die Frauenfiguren der Dreissigerjahre-Screwball-Comedy – eine Art unromantische Vorläuferin der Romantic Comedy –, waren das genaue Gegenteil des damaligen 08/15-Männertraums: selbstbewusst und energisch, oft sogar eigensinnig bis zum Exzentrischen. Mit strammem Gang und Schlagfertigkeit lehrten sie – allen voran Katharine Hepburn, Claudette Colbert oder Carole Lombard – das starke Geschlecht das Fürchten. Dieses war nämlich eher vertrottelt als autoritär, selbst wenn es von solch stattlichen Herren wie Gary Cooper, Cary Grant oder James Stewart verkörpert wurde.

So schwebt Katharine Hepburn in Bringing Up Baby (Howard Hawks, USA 1938) derart unbekümmert durch die Gegend, als wäre sie ganz allein auf der Welt: Vollkommen gleichgültig, ob sie gerade fröhlich Leoparden jagt, übermütig plaudernd Cary Grants Auto zu Schrott fährt oder gleich ein ganzes Dinosaurierskelett zum Einsturz bringt – sie scheint absolut unverletzlich. Grant hingegen wird beständig als opportunistischer Jammerlappen blossgestellt, als linkisch-verlegener Kerl, dem jegliches Rückgrat abgeht.

Doch auch wenn der Film heute als Klassiker des Genres gilt; in den Dreissigern war der von Hepburn verkörperte Frauentypus den meisten noch viel zu modern. Sogar die New York Times fand sie nicht etwa zauberhaft wild, sondern bloss anstrengend und frigide. Der Film floppte – und Hepburn landete auf einer Kassengift-Liste für Kinobetreiber. Mit ihren aktiven, teilweise gar aggressiv emanzipierten Rollen in The Philadelphia Story (George Cukor, USA 1940), Woman of the Year (George Stevens, USA 1942) oder Adam’s Rib (George Cukor, USA 1949) wurde sie dieses Stigma zwar wieder los. Doch nicht ganz ohne Kompromiss: Am Ende wurde ihre Souveränität meist als eitle Überheblichkeit entlarvt, die für ein Happyend gebändigt werden musste.

Historischer Hintergrund: die Depressions- und Kriegszeit. Die Irritation des Mannes, der angesichts des weiblichen Anarchopowers zwischen Furcht und Begehren schwankt, widerspiegelte die Orientierungslosigkeit einer Zeit, in der Bedrohung und Hoffnung auf Veränderung in permanentem Widerstreit lagen.

Die komischen Kinoliebchen tauchten denn auch meist in politischen oder gesellschaftlichen Krisenzeiten auf. So ist es kein Zufall, dass der wohl grösste weibliche Clown der Filmgeschichte, Mae West, ebenfalls den Dreissigerjahren entsprang. Ohne Umschweife griff sich der stramme Vamp das Männermonopol, Sex als reine Lust zu praktizieren. Marilyn Monroe platze dann als anarchisches Luderblondchen in den Puritanismus der Fünfzigerjahre. Und seit Ende der Achtzigerjahre dürfen auch Meg Ryan, Cameron Diaz und Sandra Bullock ab und zu mal Grimassen schneiden, sich im edlen Abendkleid verheddern oder im Entengang auf Stilettos watscheln. Meist sind sie aber an der Seite eines fast ebenso komischen Mannes zu sehen: Die Rollenbilder sind eben heftig am Wanken.

Doch nicht nur, dass diese Frauen trotz allem noch stark in der Minderzahl sind. Ihnen allen ist auch gemeinsam: Sie sind höchst attraktiv. Denn Lustigsein hat zwar offenbar auch für das männliche Geschlecht seinen Reiz. Dieser wirkt aber vielmehr verstärkend als kompensierend. Drum Warnung an alle Frauen mit Humphrey-Bogart-Gebiss: Bitte selbst dann nicht lachen, wenn ihr zuvor mit Witz brilliert habt! Zumindest auf der Leinwand gäbe es sonst sicher keinen Kuss mehr.

Literatur

Sigmund Freud, Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, Wien 1905.

Karl Grammer, Signale der Liebe: Die biologischen Gesetze der Partnerschaft, Hamburg 1993.

Desmond Morris, The Human Sexes: A Natural History of Man and Woman, London 1997.

Robert R. Provine, Laughter: A Scientific Investigation, London 2000. Kurt Tucholsky, Schnipsel, Hamburg 1960.

Michèle Wannaz
geb. 1976, studierte Publizistik, Filmwissenschaft und Neuere Deutsche Literatur in Zürich. Sie arbeitet als freie Filmkritikerin und ist Mitglied des Ausschusses für Dokumentarfilm beim Schweizer Bundesamt für Kultur.
(Stand: 2008)
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