MARTINA HUBER

POWERFUL MEN (FULVIO BERNASCONI)

SELECTION CINEMA

Der Trainer steht neben dem Spielfeld vor einer Gruppe jugendlicher Fussballer und lässt sie seinen Leitspruch wiederholen: «I am a powerful man!», mehrmals, bis aus dem zaghaften Nachsprechen eine halbwegs überzeugende Aussage geworden ist. Den Burschen scheint es irgendwie peinlich, sie grinsen einander an oder schauen verlegen zu Boden, machen aber mit, gehorchen.

Solches Mentaltraining gehört zum Alltag der Aces Youth Soccer Academy (AYSA), einer Fussballakademie in Harare, Zimbabwe. Sie wurde von einem Schweizer Ehepaar gegründet und ist Teil eines Projekts, das Jugendlichen durch eine schulische und sportliche Ausbildung allgemeine Förderung und Unterstützung bietet.

Die Fussballmeisterschaft und der drohende Abstieg «unserer» Mannschaft bilden den Erzählrahmen für Powerful Men. Die Trainings und Spiele auf den staubigen Plätzen sind mit Popmusik unterlegt und zu choreografierten Montagesequenzen zusammengefügt. Der Eindruck unbeschwerter Spielfreude wird spätestens durch Interviews mit vier an der Ausbildung teilnehmenden Burschen und einem Mädchen zerstört. Wenn sie von ihren Sorgen und Träumen erzählen, wird deutlich, wie prekär die Lebensumstände sind, die diese jungen Menschen zu meistern haben.

Ziel des Betreuer- und Trainerstabs ist es, den Zöglingen mit dem und durch den Fussball eine Perspektive zu bieten und im «besten Fall» den Anschluss an die Erste Welt zu ermöglichen. Mit der Aufnahme in die Akademie werden aber nicht nur Hoffnungen geweckt, die Absolventen stehen auch unter Druck. Susans Beispiel zeigt, welch grosse Erwartungen ihre (männlichen) Verwandten in sie setzen, auch wenn sie als Frau kaum je mit Fussball wird Geld verdienen können.

Powerful Men zeigt mehr als er selber reflektiert, denn es werden nicht nur die schwierigen Verhältnisse sichtbar, in denen die Protagonisten aufwachsen, sondern auch die strukturellen Abhängigkeiten und Hierarchien, die bei einem solchen Projekt entstehen können. Die eingangs erwähnte Szene zwischen Trainer und Spielern deutet die Vielschichtigkeit dieser Beziehungen an, und das Unbehagen der Jugendlichen ist streckenweise spürbar. Sie müssen sich, wenn sie ihre Chance wahren und sich zu Leaderfiguren erziehen lassen wollen, den europäischen Gepflogenheiten anpassen oder anderenfalls die Konsequenzen (den Ausschluss aus dem Team) tragen.

Die humanitären Aspekte des Projekts sind Fulvio Bernasconi augenscheinlich wichtig, der grössere Kontext des «muscle drain» genannten Phänomens, in dem sich Spieler- und Menschenhandel nur schlecht voneinander unterscheiden lassen, blendet er in seinem Dokumentarfilm jedoch aus. Man traut deshalb der Dramaturgie des Films nicht ganz, die als Erfolgsgeschichte angelegt ist und mit einem Fest schliesst, denn die Fassade des Gelingens ist brüchig wie die Knochen der Spieler. Auch in diesem Kontext erscheinen die modernen Methoden und das bemühte positive Denken der Fussballtrainer grotesk. Ambivalent wirken sie, weil für diese Jugendlichen der Fussball nicht nur eine kompetitive Freizeitbeschäftigung ist, sondern ein knallhartes Geschäft: Nur wenige werden gewinnen und der Armut längerfristig entfliehen können.

Martina Huber
*1971, Studium der Allgemeinen Geschichte und Filmwissenschaft auf dem zweiten Bildungsweg an der Universität Zürich. Lebt in Zürich.
(Stand: 2011)
[© cinemabuch – seit über 60 Jahren mit Beiträgen zum Schweizer Film  ]