NATHALIE JANCSO

SCHNÄBI (LUZIUS WESPE)

SELECTION CINEMA

Der vierzehnjährige Leander hat sich in die hübsche Martina verknallt, die ihm die Geometrieaufgaben erklärt. Bei seinem ersten Anbaggern ist er zwar verlegen, möchte dann aber immerhin wissen, wie es sich anfühlt, wenn es beim Herumrennen im T-Shirt so rauf und runterhüpft. Doch von ihm lässt sich Martina die Frage gerne gefallen.

Leanders Annäherungsversuch bleibt nicht unbemerkt. Joni aus seiner Klasse beobachtet die beiden auf dem Schulhof. Und schon beginnen in der Umkleidekabine vor dem Turnunterricht die Hänseleien. Leanders Klassenkameraden sind überzeugt: Zu so einer wie Martina passt nur einer, der auch genug in der Hose hat! Das Geodreieck wird gezückt und reihum gereicht. Doch Leander weigert sich, sein «Schnäbi» zu messen. Schämt er sich etwa dafür? In der nächsten Turnstunde traut er sich nicht zu seiner «Neuen» zu stehen und auch in der Geometrie lacht er lieber mit den Jungs, als Martina zu verteidigen. Sie zeigt ihm daraufhin die kalte Schulter. Doch Leander lernt aus seinen Fehlern und stellt sich schliesslich auf ihre Seite, was die beiden einander am Ende auf höchst unkonventionelle Art und Weise näher bringt.

Pubertäre Unsicherheiten, Hierarchien in der Turnumkleidekabine, die Angst davor, ein Aussenseiter zu sein und vorsichtige erste Annäherung zwischen den Geschlechtern – Luzius Wespe nimmt sich dieser Themen in seinem Kurzfilm Schnäbi mit viel Gespür für seine jungen Protagonistinnen und Protagonisten und mit feinem Humor an. Erwachsene im Publikum fühlen sich unweigerlich in jene Tage zurückversetzt, als ein harmloses Gespräch zwischen Junge und Mädchen bereits die Gerüchteküche zum Brodeln brachte und jeder verschämte Blick in Richtung der Angebeteten mit rüden Witzen kommentiert wurde.

Leanders Darsteller nimmt man seine Unentschlossenheit und Verlegenheit, sein Lavieren zwischen dem Mädchen seiner Träume und seinen Klassenkollegen jederzeit ab, und auch die anderen jugendlichen Darstellenden spielen mit überzeugender Frische.

Der Film wurde an der HGKZ als Abschlussfilm produziert und für den Förderpreis 2006 nominiert.

Nathalie Jancso
*1969, Studium der Anglistik, Filmwissenschaft und Germanistik an der Universität Zürich. Arbeitet als Filmredaktorin beim Schweizer Fernsehen und war von 2007 bis 2011 Mitglied der CINEMA-Redaktion.
(Stand: 2013)
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