MICHAEL KOCH

DER SIEBENTE KONTINENT (MICHAEL HANEKE, A 1989)

MOMENTAUFNAHME

WELCOME TO AUSTRALIA, wirbt ein Plakat in roten Lettern für den siebten Kontinent. Ein Strand, dahinter das Meer, am Horizont Gebirge. Ein Bild, das uns den Himmel auf Erden verspricht, idyllisch, sanft und unwirklich. «Lieber Gott, mach mich fromm, damit ich in den Himmel komm», betet die kleine Evi. Das Bild füllt sich mit Leben, die Schrift ist verschwunden. Exotische Vögel sind zu hören, Wellen verebben am Strand. Das Bild wird zum inneren Bild, zu einer Projektionsfläche mit utopischem Potenzial. Dabei bleibt es ambivalent; zwischen einem paradiesischen Zustand – der Sehnsucht nach dem Schönen und Guten – und dem beunruhigenden Nichts des Todes. Kompromisslos seziert Haneke die Welt dieser Kleinfamilie bis hin zum konsequent durchgeführten Selbstmord. Das australische Werbeplakat wird zur Metapher einer Reise in eine andere Welt und weist zugleich auf Hanekes Kritik der Medien hin. Stilisierend und romantisierend bestimmen sie heute unser Schönheitsideal. Haneke dagegen versucht in seinen Filmen weder zu beschönigen, noch erklärend zu begründen: «Schöne Bilder kommen ins Museum; die Genauigkeit ist das, was das Kino braucht.»

Michael Koch
geb. 1982. Seit 2003 Studium an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Es entstanden die Kurzfilmen Wir sind dir treu (2005) und Beckenrand (2006). Arbeitet zurzeit an seinem Diplomfilm in Köln.
(Stand: 2008)
[© cinemabuch – seit über 60 Jahren mit Beiträgen zum Schweizer Film  ]