CHRISTINA VON LEDEBUR

MARCELLO, MARCELLO (DENIS RABAGLIA)

SELECTION CINEMA

Italien, 1956. Auf der malerischen Insel Amatrello gibt es einen eigenartigen Brauch: Wenn ein junger Mann seine Angebetete zu einem Date ausführen möchte, muss er zu ihrem achtzehnten Geburtstag mit einem Geschenk aufwarten. Doch nicht etwa die junge Frau soll beschenkt werden, sondern deren Vater. Die Burschen des Dorfes versuchen krampfhaft, sich an Originalität bei den Geschenkideen zu überbieten. Nur einer macht bei diesem Brauch aus Prinzip nicht mit: Marcello. Der eigenwillige Fischersohn hat am eigenen Leib erfahren müssen, was dieser Brauch für Folgen zeitigen kann: Er lebt mit seinem Vater alleine, weil seine Mutter die Familie für einen anderen Mann verlassen hat.

Eines Tages kehrt Elena, die Tochter des Bürgermeisters, nach Jahren der Abwesenheit in ihr Heimatdorf zurück. Um das Herz von Marcello ist es augenblicklich geschehen und nun sieht er sich gezwungen, entgegen seiner Überzeugung bei dem traditionellen Buhlen mitzumachen. Er hat bald eine zündende Idee für ein Geschenk: Er will dem Bürgermeister jenen Hahn schenken, der ihn tagtäglich zur Unzeit weckt. Doch der Besitzer will Marcello das Tier nur geben, wenn dieser ihm zwei Flaschen Limoncello zum Tausch anbietet, die von zwei alten Zwillingsschwestern gehortet werden. Die beiden Schwestern wiederum rücken ihren raren Schnaps nur gegen ihre geraubten Hochzeitskleider raus und bald ist Marcello in einen Tauschhandel verwickelt, der ihn von Dorfbewohner zu Dorfbewohner hetzen lässt. Die Zeit eilt, denn Elenas Geburtstag rückt näher und Marcellos Konkurrenten schlafen nicht.

Marcello, Marcello ist die Verfilmung von Mark David Hatwoods Roman «Marcello’s Date». Der Westschweizer Filmemacher Denis Rabaglia hat den Roman des Engländers in einen farbenfrohen, zuckersüssen Bilderreigen verwandelt. Wie in einem Dominospiel führt in dieser Liebeskomödie ein Ereignis zum anderen und zuletzt sorgt Marcello im Dorf nicht nur für Aufregung, sondern auch für Versöhnung. Dass die Geschichte in den Fünfzigerjahren angesiedelt ist, erklärt einerseits den altbackenen Brauch, birgt andererseits ästhetisch viele Möglichkeiten. Für die märchenhaft-nostalgische Ausstrahlung des Films zeichnet neben den Ausstattern der Zürcher Kameramann Filip Zumbrunn. Es gelang ihm, eine Postkartenromantik herzustellen, die der schnulzigen Liebesgeschichte gerecht wird. Zumbrunn sorgte schon bei Strähl (Manuel Flurin Hendry, CH 2004), Grounding (Michael Steiner, Tobias Fueter, CH 2006) und Fuori dalle corde (Fulvio Bernasconi, CH/I 2007) für äusserst starke Bilder.

Regisseur Denis Rabaglia arbeitet sowohl an Kino- wie auch an Fernsehproduktionen. Der Durchbruch gelang ihm mit dem Roadmovie Azzurro, welcher 2001 zum besten Schweizer Film gekürt wurde. Es folgte die herausragende Fernsehkomödie Pas de panique (CH/F2006), in der ein junger Mann die Leitung eines Warenhauses von seinem Vater übernehmen soll und darüber in eine Lebenskrise stürzt. Nicht ganz so stringent wie seine Vorgänger fällt nun die mediterrane Liebeskomödie Marcello, Marcello aus, denn bisweilen hätte man dem Film mehr Tempo gewünscht. Mit seiner stimmigen Atmosphäre ist der Film aber allemal ein Vergnügen.

Marcello, Marcello feierte seine Weltpremiere auf der Piazza Grande in Locarno 2008.

Christina Von Ledebur
*1975, Studium der Romanistik, Anglistik und Filmwissenschaft in Zürich. Film- und Serienredaktorin beim Schweizer Fernsehen.
(Stand: 2020)
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