VERONIKA GROB

LA VALLE DELLE OMBRE (MIHALY GYÖRIKMIHÁLY GYÖRIK)

SELECTION CINEMA

Im kleinen Tessiner Bergdorf, in dem der 11-jährige Stadtjunge Matteo bei seinem Opa einige Tage Ferien macht, sind schlimme Dinge geschehen. Diese Schauergeschichten werden Matteo von der Dorfjugend mit Gusto erzählt, bis die Geister, welche die Kinder gerufen haben, das Dorf tatsächlich wieder heimsuchen.

In seinem Mystery-Thriller La valle delle ombre, der auf Geschichten von Eraldo Baldini beruht, hat Regisseur Mihály Györik Le­genden aus den unwirtlichen Tessiner Tälern verarbeitet. Aus der Jetztzeit blendet er zurück auf Schauergeschichten, die man sich im Dorf schon jahrelang erzählt. In unbestimmter Vorzeit terrorisierte eine Riesensau die Gemeinde. Als man sie endlich erlegen kann, führt ihr Verzehr zu einer Orgie und zu einem schrecklichen Fluch: Das ganze Dorf wird vom Wasser verschlungen und liegt nun unter der Oberfläche des Sees. In den 1970er-Jahren entdeckt man auf dem Friedhof eine gefesselte Frauenleiche. Die Nachforschungen des Priesters ergeben, dass Donna Clara im Keller ihrer Mühle Kinder verschwinden liess und schliesslich vom Mob ge­lyncht wurde. Nun ist sie zurück. Jahre später zieht ins Haus der Donna eine Schriftstellerin aus der Stadt ein und wird von den Geistern der Kinder heimgesucht. Nicht genug, dass diese Schauermären den Stadtjungen Matteo gruseln, er erschrickt auch ob dem Dorfsonderling Nando, der als einziger Überlebender des Erdrutsches, welcher das Dorf im See begrub, die Gemeinschaft mit lautem unverständlichem Gebrüll und unheimlichen Baumpuppen ängstigt.

Györik hat das Tessin nicht als Sonnenstube inszeniert. Die düsteren Täler scheinen wie als Setting für einen Horrorfilm gemacht. Man merkt, dass der Regiedebütant sein Handwerk in Kalifornien gelernt hat: Seine Bildern gestaltete er kunstvoll nach den Regeln des Genres. Inhaltlich jedoch droht das episodische Werk zu zerfallen, da sich zwischen den verschiedenen Geschichten keine Verknüpfung erkennen lässt. Zudem kommt die Rahmengeschichte sehr harmlos daher; die Rückblenden in die Schauergeschichten dagegen sind mit teils blutig arrangierten Leichen nicht gerade für Kinder gedacht.

Besetzt wurde die italienisch-ungarisch-schweizerische Koproduktion mit Charakterköpfen aus allen beteiligten Ländern, sodass die Originalfassung zum Teil synchronisiert werden musste. Zu den be kanntesten Gesich­tern zählt Teco Celio, der auch schon in einem anderen Schweizer Mystery-Thriller, Fredi Murers Vollmond (1998), dabei war. Auch jener Film blieb unter den Erwartungen, wie auch andere Schweizer Mystery-Filmen wie Fulvio Bernasconis La diga (2003) oder Markus Fischers Marmorera (2007). Hoffen wir also, dass Michael Steiners Sennentuntschi die Ehre des Genrefilms aus den Alpen retten kann, wenn er denn einmal fertig gestellt wird.

Veronika Grob
geh. 1971, hat Literaturwissenschaften studiert und arbeitet als Filmredaktorin bei SF DRS. Mitglied der CINEMA-Redaktion seit 2002.
(Stand: 2018)
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