MARTINA HUBER

DER GROSSE KATER (WOLFGANG PANZER)

SELECTION CINEMA

«Kater» wird der Bundespräsident genannt. Er hat den Zenit seiner Macht überschritten, will sich aber noch nicht geschlagen geben. Nun steht der Staatsbesuch des spanischen Königspaares auf dem Programm, das bedeutet zwei Tage Repräsentationspflichten nach allen Regeln des Protokolls. Der Anlass kommt ungelegen, denn auch das Privatleben bereitet dem Kater grossen Kummer. Er und seine Frau haben sich entfremdet, und seit der krebskranke Sohn im Kinderspital im Sterben liegt, mag Marie auch in der Öffentlichkeit nicht mehr die stets strahlende Präsidentengattin mimen. Diesen kritischen Moment nutzt Katers langjähriger Weggefährte und ehemaliger Rivale «Pfiff» zu seinen Gunsten. Kurzerhand nimmt er den Besuch des Kinderspitals ins offizielle Programm der höchsten Damen auf. Marie glaubt, es handle sich um ein wahltaktisches Manöver ihres Mannes und wehrt sich mit ihren eigenen Mitteln gegen die vermeintliche Geschmacklosigkeit. Es kommt zum Eklat.

Das Filmplakat von Der grosse Kater verheisst uns eine glamouröse Geschichte im Her­zen der Classe Politique: Bruno Ganz trägt eine Katze auf dem Arm wie ehemals Don Vito Corleone. Diese hochtrabende Anspielung ist bezeichnend für die Vermarktung des Films, scheint aber nicht ganz unpassend, da der gesamte Film vor allem durch Oberfläche glänzt. Der grosse Kater präsentiert eine telegene Welt, einen prunkvoll inszenierten Kosmos voller geschmackvoll gekleideter Menschen. Ob all der Begeisterung für ausladende Bankette, landende Helikopter und Blumenar­rangements gerät der Kern der Romanvorlage in den Hintergrund – unter anderem, weil die Geschichte in eine zeitlose Gegenwart versetzt worden ist. Thomas Hürlimann bezog sich in seinem Buch schliesslich auf einen Staatsempfang im Jahr 1979. Seine Romanfigur ist stark von spezifischen gesellschaftlichen und poli­tischen Rahmenbedingungen geprägt: Die har­te Erziehung im Kloster, der politische Aufstieg mithilfe der Partei, die permanente Überwachung durch den Staatsschutz sind zentrale Motive der Geschichte. Im Film wirken einzelne aus den 1970er-Jahren über­nom­mene Elemente aufgesetzt und ana­chro­­ni­­stisch. Es entsteht keine kohärente oder stim­mige Atmosphäre, Der grosse Kater transportiert ein klischiertes Schweiz-Bild.

Ein Film kann natürlich andere Schwerpunkte setzen als seine Vorlage, aber hier soll offensichtlich in erster Linie ein möglichst breites Publikum bedient werden. Im Endprodukt bleibt die Entourage beim Staatsempfang reine Kulisse; die Figuren wirken nie lebensnah, sie bleiben immer Schauspieler, die leider auch noch schlecht schweizerdeutsch synchronisiert wurden.

Martina Huber
*1971, Studium der Allgemeinen Geschichte und Filmwissenschaft auf dem zweiten Bildungsweg an der Universität Zürich. Lebt in Zürich.
(Stand: 2011)
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