NATHAN SCHOCHER

DAVID WANTS TO FLY (DAVID SIEVEKING)

SELECTION CINEMA

Wenig lebende Filmemacher werden von Film­studenten derartig kultartig verehrt wie David Lynch. Auch Filmschulabsolvent David Sieveking würde gerne so rätselhaft-düstere Filmwelten erschaffen wie sein berühmter Namensvetter. Leider fehlt ihm dazu die In­­spi­ration, und so erhofft sich Sieveking von einem persönlichen Treffen mit Lynch wertvolle Tipps und Hinweise auf dessen eigene Inspirationsquellen. Lynch empfiehlt dem Jung­filmer Transzendentale Meditation (TM). Sieveking befolgt Lynchs Rat und besucht sofort einen teuren TM-Einführungskurs. Anfänglich scheint das Meditieren zu wirken, aber nach ersten Rückschlägen beginnt Sieveking genauer zu recherchieren, worauf er sich mit der Transzendentalen Meditation eigentlich eingelassen hat. Seine Recherchen dokumentiert er mit der Kamera. Es stellt sich heraus, dass TM eine durch Spendengelder finanzierte weltumspannende Organisation ist, die in sogenannten «Universitäten der Unbesiegbarkeit» und Camps für Yogische Flieger den Weltfrieden anstrebt. Sieveking lernt bald auch TM-Aussteiger kennen, die vom autoritären und widersprüchlichen Verhalten des TM-Gründers Maharishi und dem obskuren Finanzgebaren der Organisation nichts Gutes zu berichten haben. Als Sieveking darauf sein Idol David Lynch mit kritischen Fragen konfrontieren will, blockt dieser plötzlich ab und will bei allfälliger Veröffentlichung des Filmmaterials den Jungfilmer verklagen.

Selbstironisch berichtet Sieveking in David Wants to Fly über seinen Selbstversuch mit der Transzendentalen Meditation. Er lehnt sich dabei klar an den forsch-investigativen Dokumentarfilmstil eines Michael Moore oder Morgan Spurlock (Super Size Me, USA 2004) an. Daraus ergeben sich einige amüsante Momente, wenn etwa Sieveking im Schneidersitz das Yogische Fliegen übt oder als Resultat einer kreativen Anwandlung die Grossmutter seiner Freundin stundenlang hinter einem Vorhang versteckt, um dieser einen Lynch-mässigen Empfang zu bereiten. Mit der Zeit beginnt der omnipräsente Sieveking mit seiner gespielten Naivität allerdings zu nerven, da es dem Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion schwerfällt, dem Publikum die Entwicklung vom Lynch-Fan zum Sekten-Kritiker glaubhaft nachzuzeichnen. Formal weist der Film keine klare Linie auf: Meditative Landschaftsaufnahmen wechseln sich ab mit verwackelten Handkamera-Bildern. Eindrücklich sind hingegen Szenen wie die von Tumulten überschattete Grundsteinlegung für eine Universität der Unbesiegbarkeit auf dem historisch vorbelasteten Teufelsberg in Berlin.

Nathan Schocher
*1978, Studium der Philosophie, Germanistik und Politikwissenschaften; schreibt als freier Journalist für verschiedene Medien. Er lebt in Zürich.
(Stand: 2012)
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