SONJA ENZ

BOUTON (RES BALZLI)

SELECTION CINEMA

«Tant qu’il y a Bouton, il y a de la vie», sagt Johana Bory. So eng ist die Verbindung zwischen der jungen Frau und ihrer selbst erschaffenen Handpuppe Bouton – so fragil ist aber auch das Fundament, auf dem ihr Leben steht: Johana Bory hat Brustkrebs im Endstadium. Der Berner Filmemacher Res Balzli begleitet die 33-jährige Schauspielerin in seinem Regiedebüt Bouton auf ihrem letzten Lebensabschnitt.

Wenn Johanna Bory farbenfroh gekleidet durch den kalten Tiefschnee stapft, ist dies ein poetisches Sinnbild für die Lebensfreude, die sie den traurigen Umständen zum Trotz bewahrt. Schon von Weitem leuchten der rote Mantel und die lila Mütze in der kargen, weiten Winterlandschaft. In der Hand trägt die junge Frau einen braunen Lederkoffer, darin befindet sich ihr bester Freund und Alter Ego: die aus schmutzig gelbem Stoff zusammengeflickte Handpuppe Bouton. Johana Bory ist durch ihre Auftritte mit Bouton bekannt geworden. Auf der Bühne erzählt sie mit dessen heiserer Stimme Märchen, erfindet Geschichten und bringt Kinder zum Lachen. Res Balzli weist dem «Knopf» klugerweise auch in seinem Film eine zentrale Rolle zu. Nicht monologische Statements bilden die Grundlage seines Films, sondern (Selbst)Gespräche zwischen Johana und Bouton. Die liebenswerte Stoffpuppe stellt unverblümte Fragen und gibt erfrischende Antworten. So kehrt Johana Bory ihr Innerstes nach Aussen, ohne sich dabei vor der Kamera zu entblössen. Die berührenden, witzigen und überraschenden Dialoge verleihen Balzlis Film eine verspielte Leichtigkeit. Auch die Musik nimmt eine wichtige Rolle ein: Das Trio Norn untermalt den Film mit vielschichtigen Gesängen und melancholische Melodien. Der Film erhält durch die Inszenierung der drei Musikerinnen eine märchenhafte, poetische Dimension: das Trio tritt in kunstvollen Gewändern als «Schicksalsschwestern» auf und verkörpert Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit.

Bouton ist keine Leidensgeschichte. Es ist ein stiller, umsichtiger und doch kraftvoller Film. Sein ruhiger, fliessender Rhythmus ist nicht zuletzt Dieter Fahrers zurückhaltender Kameraführung zu verdanken. Einige Aufnahmen stammen von Johanas Lebensgefährten Lukas Larcher – er hat mit seiner Ka­mera ganz persönliche, private Momente ein­gefangen. Res Balzli, ein gelernter Sozialarbeiter, gibt mit Bouton sein Regiedebüt. Damit kommt er dem Wunsch seiner Prota­gonistin nach, noch einmal in einem Film mitspielen zu können. Trotz dieser persön­lichen Motivation wahrt Balzli immer die nötige Distanz und so bietet sein Film einen intimen, aber rücksichtsvollen Einblick ohne falsche Sentimentalität. Es ist ihm ein feinsinniger Film gelungen, der behutsam zu den grossen Fragen des Lebens vordringt. Bouton erzählt von der Kunst, loszulassen und von der tröstlichen Fähigkeit, einem schweren Schicksal mit Würde und Humor entgegenzutreten.

Sonja Enz
*1989, studiert Medien- und Kommunikationswissenschaften, Zeitgeschichte und Kunstgeschichte an der Universität Freiburg.
(Stand: 2013)
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