JONAS ULRICH

IMAGE PROBLEM (SIMON BAUMANN, ANDREAS PFIFFNER)

SELECTION CINEMA

Die Schweiz hat ein Problem: Sie hat ein schlechtes Image im Ausland. Diese Feststellung machten die beiden Filmemacher Simon Baumann und Andreas Pfiffner zum Ausgangspunkt einer einjährigen Reise quer durch die Schweiz. Dabei gaben sie vor, einen Imagefilm über die Schweiz zu drehen, der das Bild der Helvetia bei den Ausländern aufpolieren sollte. Das Ergebnis, das den Titel Image Problem trägt, ist jedoch – wie man sich denken kann – alles andere als ein gradliniger Werbespot, sondern ein satirischer Dokumentarfilm, der so ziemlich alles in den Dreck zieht, was Herrn und Frau Schweizer lieb und kostbar ist.

Formal ist der Film deshalb interessant, weil er, statt uns das fertige «Produkt» eines Dokumentarfilms zu präsentieren, den eigenen Entstehungsprozess thematisiert: Anstelle eines narrativen Off-Kommentars hören wir die beiden Filmemacher oft im O-Ton, wie sie über die Motivwahl, Bildgestaltung oder den Schnitt diskutieren. Zusätzlich lassen sich die Regisseure immer wieder von ihren Interviewpartnern leiten, indem sie nachfragen, wie denn ein Werbefilm für die Schweiz aussehen sollte. Image Problem ist also sozusagen sein eigenes Making-of. Durch diese Selbstreflexivität führt der Film dem Zuschauer beispielhaft vor Augen, wie konstruiert auch die vermeintlich realen Bilder eines Dokumentarfilms sind.

An der Pressekonferenz in Locarno betonten Baumann und Pfiffner, wie viel Filmmaterial sie auf ihrer Reise gesammelt hatten und wie schwierig sich die Auswahl der Szenen am Schneidetisch gestaltete. Die Schnittarbeit von Katharina Bhend und Mischa Hedinger überzeugt vor diesem Hintergrund insbesondere darin, dass sie den Film kurzweilig, knackig und frech daherkommen lässt. Die humoristische Seite kommt ebenfalls nicht zu kurz, wo­bei die Gratwanderung zwischen Satire und moralischer Fragwürdigkeit nicht immer gelingt. So wird man in gewissen Momenten den Eindruck nicht los, dass sich die Macher mit den Waffen eines Dokumentarfilms, wie man es aus einschlägigen RTL-Reportagen kennt, über die Leute lustig machen.

Dazu kommt, dass Image Problem inhaltlich kaum neue Erkenntnisse zu bieten hat. Als eigentliches Hauptthema entpuppt sich wieder mal die helvetische Fremdenfeindlichkeit. Hier scheitert der Film aber an seinem eigenen Ansatz: Da er sich – wenn auch in der Absicht der Demontage – nur mit dem Klischee-Bild der Schweiz beschäftigt, fällt der städtische und unter fünfzigjährige Teil der Schweiz praktisch völlig unter den Tisch. Auch wenn man von Image Problem also keine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Bild der Schweiz und den damit verbundenen Stereotypen erwarten kann, so gelingt dem Film durch seinen hohen Unterhaltungswert doch zumindest eines – die Widerlegung des Vorurteils, Schweizer hätten keinen Humor.

Jonas Ulrich
*1990, seit 2009 Studium der Geschichte, Filmwissenschaft und Rechtswissenschaft an der Universität Zürich. Daneben freischaffender Filmkritiker und tätig in der Produktion von Musikvideos und Kurzfilmen. www.atopic.ch
(Stand: 2016)
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