THOMAS HUNZIKER

LA BATAILLE DE SAN ROMANO (GEORGES SCHWIZGEBEL)

SELECTION CINEMA

Kirchenglocken läuten, ein Hahn kräht. Dann stimmt über dem Brummen eines Cellos eine Violine eine jammernde Melodie an, begleitet vom mahnenden Dröhnen eines Schofars. Der Blick fällt auf ein Standbild mit schemenhaft dargestellten Reitern und einigen die Leinwand durchtrennenden Linien, die allmählich als Lanzen von Rittern zu erkennen sind. Gleich geht die Schlacht los. In seinem animierten Kurzfilm La bataille de San Romano beschäftigt sich Georges Schwizgebel mit dem Kampf zwischen den Truppen der verfeindeten italienischen Städte Florenz und Siena von 1432, der in erster Linie durch den Triptychon «Battaglia di San Romano» von Paolo Uccello in Erinnerung geblieben ist.

Die Tafel «Disarcionamento di Bernardino della Ciarda», die sich heute in der National Gallery in London befindet, dient Schwizgebel aus Ausgangs- bzw. Schlusspunkt für sein Werk. Ausgehend vom ersten Standbild zeigt er verschiedene Ausschnitte aus dem Gemälde. In rasender Abfolge belebt er die Szenen aus der Schlacht. Lanzen treffen auf Pferde, die mit ihren Reitern stürzen. Die leblosen Körper am Boden richten sich wieder auf und stürzen sich erneut aufeinander, schlagen sich mit Streitkolben die Schädel ein. Dazwischen schies­sen Bogenschützen ihre Pfeile ab, Fusssoldaten rennen mit ihren Hellebarden über die zweckentfremdeten Felder, die durch die Anordnung der Hecken zwischendurch wie To­tenköpfe erscheinen. Furios inszeniert Schwizgebel die Schlacht als einen unendlichen Kreis­lauf, einen sich stets wiederholenden Zyklus der Gewalt. Am Ende verlässt Schwizgebel die Naheinstellung und zeigt die Vorlage für sein Werk in der Totale. Dabei betont er noch ein­mal das Repetitive der Schlacht und den unaus­weichlichen Ausgang der ausgewählten Sze­ne.

Immer wieder stossen die Kämpfer aufeinander und Bernardino della Ciarda fällt, getroffen von einer Lanze, aus dem Sattel seines Pferdes. Durch die fliessenden Übergänge der Bilder, in denen sich die Elemente stetig ineinander verwandeln, reiht sich La bataille de San Romano nahtlos in das bisherige Schaffen von Schwizgebel ein, der zuletzt für seine Umsetzung von Erlkönig (CH 2015) mit dem Schweizer Filmpreis 2016 ausgezeichnet wurde. Doch während sich in seinen Werken das Bild für gewöhnlich auf ein Spiel mit der Musik einlässt, tritt in La bataille de San Romano für einmal die von Judith Gruber-Stitzer gestaltete Geräuschkulisse in den Vordergrund. Auf die noch friedlichen Klänge von Kirchenglocken und Hahn folgen die martialischen Töne der Schlacht, der trommelnde Hufschlag der Pferde, das Aufeinanderprallen der scheppernden Waffen und das dumpfe Dröhnen von getroffenen und fallenden Rittern in ihren Rüstungen.

Thomas Hunziker
*1975, Studium der Filmwissenschaft, Anglistik und Geschichte an der Universität Zürich. Er arbeitet als Radiologiefachmann und betreibt das Filmtagebuch filmsprung.ch. Mit seiner Partnerin und zwei Kindern lebt er in Schaffhausen.
(Stand: 2021)

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