MISCHA HABERTHÜR

EISENBERGER — KUNST MUSS SCHÖN SEIN, SAGT DER FROSCH ZUR FLIEGE (HERCLI BUNDI)

SELECTION CINEMA

Die Schweiz gilt in der allgemeinen Vorstellung oftmals als eine Nation von engstirnigen Spiessbürgern. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb scheinen ihre Regisseure eine Begeisterung für Querdenker zu besitzen. Filme wie Peter Liechtis Signers Koffer oder Nicolas Humberts und Werner Penzels Step Across the Border porträtieren Künstler, deren unkonventionelle Arbeitsweisen und Ansichten sich jeglicher Kategorisierung entziehen.

In diese Tradition reiht sich auch Hercli Bundi mit seinem Dokumentarfilm Eisenberger ein. Mehrere Monate langt folgte er mit einer Kamera dem österreichischen Künstler Christian Eisenberger, dessen ungeheure Vielfalt an Werken – mit 40 Jahren waren es bereits rund 45’000 – sowohl thematisch als auch konzeptionell Grenzen sprengt. Bei der internationalen Sammlergemeinde stösst er auf Begeisterung, seine bekanntesten Erzeugnisse gehen für beachtliche Summen über den Tisch und die Inhaberinnen und Inhaber namhafter Galerien überhäufen ihn mit Lob. Eine Bilderbuchkarriere, möchte man meinen.

Doch Eisenberger ist kein Bilderbuchkünstler. «Kunst ist eine Ausrede der Gesellschaft», konstatiert er gleich zu Beginn in gewohnt nüchterner Manier. Auf die Frage nach dem politischen Gehalt seiner Werke zuckt er nur verlegen mit den Schultern. Überhaupt scheint er seiner Arbeit nach deren Fertigstellung einen geringen Wert beizumessen. Galerien sieht er als nützliches Mittel, um sich alter Kunstwerke zu entledigen und somit in seinem Atelier Platz für Neues schaffen zu können.

Ohne zu werten, thematisiert Bundi gekonnt die komplexen Ansichten seines Subjekts sowie dessen zwiespältige Beziehung zum breiteren Kunstumfeld. Durch seine empathische Vorgehensweise holt er den introvertierten Eisenberger aus der Deckung und entlockt ihm faszinierende Aussagen. Sein Versuch, den Künstler völlig zu entschlüsseln, scheitert jedoch. Trotz zahlreicher Gespräche mit ihm und seinem näheren Umfeld bleibt Eisenberger für uns bis zum Ende ein Enigma, dessen interne Widersprüche sich nie ganz sauber auflösen lassen. Auch die breiteren Betrachtungen zur Bedeutung von Kunst wirken teils eher belanglos als bereichernd.

Am eindrücklichsten ist der Film – und auch hier drängt sich wieder der Vergleich zu Signers Koffer auf –, wenn er in ruhigen, fast schon meditativ anmutenden Bildern Eisenberger bei der Arbeit im Atelier oder Freien zeigt. In diesen Momenten verschwinden jegliche Barrieren zwischen Publikum und Protagonist. Wir verstehen vielleicht nicht zwingend Eisenberger als Künstler, aber wir verstehen Eisenberger als Menschen, der in dieser eigenwilligen Beschäftigung seine persönliche Erfüllung findet. Es sollte uns allen solches Glück vergönnt sein.

Mischa Haberthür
Hat Betriebswirtschaft an der Universität Zürich studiert und arbeitet beim Schweizer Fernsehen. Als Mitglied des Studierendenkinos der UZH und ETH beteiligt er sich an der Programmation von Filmreihen und dem Verfassen von Filmtexten.
(Stand: 2021)
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