DORIS SENN

BROTHER MOVE ON (ANTSHI VON MOOS)

SELECTION CINEMA

Geeta Kumari ist eine der wenigen Taxifahrerinnen in Delhi und Indien überhaupt. Souverän steuert sie ihr Auto durch den alltäglichen chaotischen Verkehrsstrom von Bussen, Motorrädern, Tuktuks, Rikschas und Ochsenkarren. Dass sie fahren gelernt hat, ist ihrem eigenen Wunsch und Willen zu verdanken – und der Tatsache, dass ihr und ihren Geschwistern die weiterführende Schule aus finanziellen Gründen verwehrt blieb. Mittlerweile kann sie mit ihrem Verdienst ihre Familie unterstützen und den Geschwistern gar eine Ausbildung finanzieren.

Nach 21 Uhr wenn es dunkel wird, gehen Frauen in Delhi in der Regel nicht mehr auf die Strasse, die Stadt sei viel zu gefährlich, meint Geeta. Auch sie als Taxifahrerin werde in ihrem Auto, auf dem stehe, dass es nur für Frauen sei, des Öfteren abends und nachts von Männern angesprochen und bedrängt. Der eigentliche Worstcase sei, wenn sie nachts eine Panne zwinge, das Gefährt zu verlassen – was schon mehrmals passiert, bisher aber immer glimpflich ausgegangen sei. Geeta sagt von sich selber, sie habe in ihrer Zeit als Fahrerin einen eigentlichen Emanzipationsprozess durchlaufen. Aus Überzeugung fährt sie ausschliesslich Frauen und hofft, ihnen damit zu helfen, unabhängiger zu werden.

Antshi von Moos – seit 2011 Assistentin von Pipilotti Rist – hat dieses Dokumentarfilmfragment im Anschluss an ihr Bachelor-Filmstudium an der HSLU Luzern im Rahmen eines Artist-in-Residence-Stipendiums 2012 in der nordindischen Stadt Varanasi gedreht. Die 33-jährige Künstlerin, die den Film fast rundum selbst realisiert hat, filmt die Fahrerin vor allem alleine, in zwei kleineren Passagen zusammen mit ihrer Schwester Seeta – aus dem Off hört man Geetas Erläuterungen.

Das Setting des Films ist nicht neu. Wir kennen es etwa aus Taxi Teheran (2015) von Jafar Panahi, in dem der iranische Regisseur das Auto, den Blick aus dem Inneren auf die Strasse, und die wechselnden Fahrgäste benutzt, um die gesellschaftliche Lage im Iran zu veranschaulichen – als Roadmovie und Huis clos in einem. Gerne würde man mehr erfahren über Geeta und ihren Alltag – nicht zuletzt über ihre Passagierinnen im Lauf des Tages oder ihren familiären Hintergrund, doch dafür war die Gesamtlaufzeit des Films, acht Minuten, und die Zeit für die Recherche wohl schlicht zu knapp bemessen. Wir erwarten aber gerne eine Fortsetzung.

Doris Senn
Freie Filmjournalistin SVFJ, lebt in Zürich.
(Stand: 2021)
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