NOEMI DAUGAARD

DING (PASCALE EGLI, AURELIO GHIRARDELLI)

In ihrem ZHdK-Seminarfilm Ding (CH 2021) geben Pascale Egli und Aurelio Ghirardelli einen Einblick in eine ganz besondere Art von Liebe und Intimität: der Objektophilie. Mit einem gelungenen Gleichgewicht zwischen Behutsamkeit und Humor verfolgt der Dokumentarkurzfilm zwei Frauen, Valentina und Sonnili, die Paarbeziehungen mit Objekten führen: Während sich Valentina in das Terrassendach der Nachbaren verliebt hat, hat Sonnili das Notenpult eines Flügels im Universitätskeller geheiratet.
 
Der Film setzt das Thema mit viel Respekt um, schafft es aber trotzdem, ein gekonntes Gleichgewicht zu erzielen, in dem sich der vorsichtige und sensible Umgang mit der Lebensrealität der Protagonistinnen und eine gute Prise Humor und Unterhaltungswert nicht gegenseitig ausschliessen. Dabei vermag es der Film, spannende Fragen aufzubringen: Was ist Liebe? Wer oder was ist ein Objekt der Begierde? Und was heisst eigentlich Intimität? Getragen wird der Film von den beiden Protagonistinnen, die mit viel Ehrlichkeit und sehr direkt aus ihrem Leben erzählen und dabei immer Humor und Reflexionsvermögen durchscheinen lassen. Gleichzeitig beweisen die beiden Mut, nicht nur durch die Entblössung im Film, sondern auch in ihrem alltäglichen Leben. So fängt der Film auch die zwischenmenschlichen und rechtlichen Konflikte ein, die die beiden Frauen in ihrem Alltag konfrontieren müssen, wie zum Beispiel Sonnilis Probleme mit der Universität. Hier bekommt der Film sogar ganz kurz etwas Krimihaftes.
 
Aus filmästhetischer und gestalterischer Sicht verbleibt der Film auf einer sehr konventionellen Dokumentarfilm-Schiene. Die beiden Protagonistinnen werden in statischen Bildern in ihrem Alltag verfolgt und sprechen im klassischen Interview-Stil direkt in die Kamera. Handwerklich passt alles, wenn doch die individuelle gestalterische Handschrift der beiden Filmemacher_innen noch nicht ganz durchscheint. Man kann jedoch zuversichtlich sein, dass die beiden Regisseur_innen auf dieser Ebene noch wachsen werden, als Seminarfilm vermag Ding bereits zu überzeugen. Dies beweisen auch die positiven Publikumsreaktionen am 74. Filmfestival Locarno, wo der Film im nationalen Wettbewerb Premiere feierte.
Noemi Daugaard
*1990, studierte in Zürich Filmwissenschaft, Anglistik und Kunstgeschichte. Sie ist Doktorandin am Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich und arbeitet in der Forschungsförderung.
(Stand: 2021)
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