MARTIN SCHAUB

KRITISCHER INDEX DER JAHRESPRODUKTION 1985

ESSAY

Die schlimmsten Befürchtungen um den Schweizer Film haben sich nicht bewahrheitet. In der Periode von August 1984 bis August 1985 sind mehr Filme als je uraufgeführt worden. Die höhere Dotierung des Filmförderungskredits und ein seit kurzem festgeschriebenes Engagement des Fernsehens (Rahmenabkommen Film- Fernsehen), sowie vermehrt Ko-Produktionen haben aus dem Wellental herausgeführt. Soviel zur Quantität.

Vorjahren haben wir alle gesagt: „Ein Film ist ein Film ist ein Film.“ An der Wahrheit dieses Satzes hat sich nichts geändert, auch wenn sich der Markt als wenig tolerant erweist und letztlich eigentlich nur noch „abendfüllende“ Spielfilme akzeptiert. Der Zug zum Kinospielfilm ist stärker als je, und natürlich sind es nicht bloss die Autoren, die plötzlich alle erzählen wollen, sondern vor allem auch die äusseren Umstände des Filmschaffens in diesem Land. Dieser Konzentrationstendenz widersetzt sich der hier vorgelegte Index.

Andererseits ist ein Film objektiv nicht mehr jenes singuläre Ereignis, das er noch vor fünfzehn Jahren in diesem Land gewesen ist. Die Freude über die schiere Existenz eines weiteren abgeschlossenen Werks ist nicht mehr begründet. Dieser Bonus fällt weg. Sachlichkeit kann nun Platz greifen; der relativ distanzierte und kühle Ton meines kritischen Rückblicks auf das letzte Produktionsjahr hat sich nicht einfach eingestellt; er ist Ausdruck der Sachlichkeit, die wir uns nun leisten können.

Martin Schaub
Keine Kurzbio vorhanden.
(Stand: 2020)
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